Freitag, 30. März 2012

Buenos Aires – mehr als nur „Gute Luft“


[Buenos Aires 1]

Alle, die meinen mein Trip bestehe jeden Morgen aus lange ausschlafen und täglichen Abenteuern, liegen etwas falsch: Oftmals stehe ich zu unchristlichen Zeiten auf, um einen Bus für eine eeeendlos lange Fahrt zu erwischen. 20 Stunden und mehr in einem (mehr oder weniger bequemen) Bus gehören für einen Reisenden, wie mich, zum Standard-Programm. Am 01.03.12 stehe ich also wieder einmal um 04.30 auf, krame meine sieben Sachen zusammen und erst, als ich im Bus sitze, reibe ich mir den Sand (hier in Uyuni wohl eher das Salz) aus den Augen. Lange ist die Fahrt von Uyuni in südlicher Richtung nach Tupiza und dann weiter nach Villazon. Die Landschaft erinnert mich mit ihren rötlichen, endlosen Hügelzügen und Tälern, der Wüstenlandschaft den vielen Kakteen sehr ans Grand Canyon Gebiet im Süden der USA. Mal karg, mal grün zieht an meinem Fenster vorbei, die Strassen sind ungeteert, holprig und meist eng. Einmal kommt es beinahe zum Crash mit einem anderen Bus, der uns zu spät sieht und erst etwa 30cm vor uns zum Stehen kommt. Der Grenzübertritt von Bolivien nach Argentinien (de facto 2 Stempel in meinem Pass) dauert geschlagene 3h und zehrt an meinen Nerven und meinem Stamina, denn ich schleppe ganze Zeit mein Rucksackmonster mit. Aber warum denn mehrere Schalter aufmachen und den faulen Zollbeamten Feuer unterm Arsch machen, wenn einer reicht und der Baer warten kann, während er fast vom Rucksack erdrückt wird? Aaargh… Am Busbahnhof auf der Argentinischen Seite in La Quiaca finde ich einen Bus, der noch am selben Tag um 21 Uhr nach Salta fährt. Semicama (=180° halbschräg-schlaf-Komfort mit eingeschränkter Beinfreiheit) mit einmal umsteigen; Direktanschluss sagt mir die Dame am Schalter. Die Fahrt ist aufreibend: Kaum bin ich eingeschlafen (nach dem langen Tag bin ich Müde), heissts Polizeikontrolle – alle aus dem Bus! Alles wird inspiziert, doch als mich der Polizeibeamte mit meinem grossen Rucksack (und dem Schweizerpass) sieht, lacht er nur mitfühlend, nuckelt an seinem Mate Tee und winkt mich durch. Um 3.30 Uhr komme ich in Jujuy an und erwarte, dass ich in den Anschlussbus nach Salta plumpsen kann. Direktanschluss bedeutet diesmal aber 3 lange Stunden Wartezeit – ich bin saumüde! In Salta angekommen nehme ich trotz akuter Übermüdung (ich hab’s ja gesagt: alles andere, als „erholsame Ferien“), Rücken- (Rucksackmonster sei Dank) und Nackenschmerzen (unkomfortables Semicama lässt grüssen) den nächsten Bus nach Buenos Aires und erinnere mich wohlweislich an den Slogan von L’Oréal: „Parce que je le vaux bien“. Darum leiste mir den luxeriösesten Super-trooper-Cama-Executive-Suite Bus nach Buenos Aires. 200 USD blättere ich für die 18h Fahrt hin…das flache Bett auf Rädern ist unbezahlbar! Nach 2 Tagen und über 2000km Fahrt komme ich am 03.03.12 wieder fast regeneriert in der Hauptstadt Argentiniens an.

Der heisse Spätsommer erwartet mich in der Megacity Buenos Aires, dem politischen, kulturellen, kommerziellen und industriellen Zentrum Argentiniens. Das El Sol Hostel de Ricoleta im gleichnamigen, glamouröseren Stadtteil Ricoleta ist meine Bleibe für die nächste Woche, wobei die Zeit wie im Flug vergeht. Noch am selben Tag treffe ich mich mit Sol (die ich damals an der Westküste in den USA kennen gelernt habe), um etwas durch die Stadt zu schlendern. Wir besuchen den Kunsthandwerkermarkt um die Ecke und stossen per Zufall auf die geniale Puma Streetart Ausstellung. Abends bin ich bei ihren Freunden (Amis, Holländer und Franzosen) zum Empanadas Essen eingeladen, wo gleich mal der Tarif vom argentinischen Lifestyle durchgegeben wird: Gemütlich zusammensitzen (vornehmlich ganz antivegetarisch mit einem grossen Stück Fleisch), Trinken (Fernet&Coke – schmeckt wie Listerine Coolmint-Antiplaque), Ausgehen (naja, war geplant, wir sind dann aber hängengeblieben) und nicht vor 6 Uhr schlafen gehen. Am Sonntag, 04.03.12 mache ich mich auf zum grossen Künstlermarkt, der jeden Sonntag im Zentrum von Buenos Aires stattfindet, das geprägt ist von hektischem Treiben. Zwischen Marktständen mit Mate-Ausrüstung, Klappstühlen einer Gartenbeiz und Empanada-Ständen tanzt ein elegantes Pärchen engumschlungen Tango und entzückt die Touristen…
BsAs Kaffeekultur
BsAs Tanzkultur
Farbenfroher Markt…seis Flaschen…
…oder Schilder (No Photos):-p

Um von der Hektik etwas herunter zu kommen, eröffne ich an diesem herrlichen Sommerabend die Joggingsaison und finde meine perfekte Runde (im Parque Thays und zur Floralis Genérica, der riesen Blumenskulptur am Plaza de las Naciones Unidas), die ich bis zum 11.03.12 beinahe jeden Tag abspule und dabei immer wieder neue Details der Stadt entdecke. Buenos Aires ist anders, als jede südamerikanische Stadt, die ich bis jetzt gesehen habe. Sie ist sehr europäisch, relativ sauber (abgesehen vom Abfallproblem und den Hundehaufen, die überall liegen und manchmal von Passanten einen ganzen Häuserblock weitergezogen werden) und bietet so einige architektonische- und andere Augenweiden. Prägend sind auch die vielen Klimaanlagen die einem ständig auf den Kopf tropfen, wenn man die Strassen entlang spaziert. Die Hauptschlagader von Buenos Aires ist definitiv die Avenida 9 de Julio, die mit ihrer Breite von 140m und 20 Fahrstreifen als breiteste Strasse der Welt bezeichnet wird. In ihrem Zentrum thront ein Obelisk. Zum Puls der Stadt trägt, nebst der Geschäftigkeit (ausgeschlossen sind die elend langsamen Kassierer im Supermarkt), dem kulturellen Angebot und dem neverending Nightlife auch das chaotische, laute und rasante Bussystem bei, welches ich ein paar Mal ausprobiert habe. Zum Leidwesen des Touristen sind die Stationen nicht angeschrieben und der Bus hält nur auf Verlangen – blöd, wenn man nicht genau weiss, wo man ist. Trotz hoher Inflation sind die unzähligen Restaurants immer voll, wo die Porteños (so heissen die Einheimischen) und Touristen en-masse Fleisch essen, oder im gemütlichen Kaffee an der Strassenecke an einem Kaffee oder Mate Tee nippen. Buenos Aires bringt einem schnell bei, wie man das Leben zu geniessen hat!
Um der Grossstadt zu entfliehen, mache ich mit Sol und zwei ihrer Freunde (Dave aus den USA und Mike aus Holland) am 06.03.12 einen gemütlichen Ausflug nach San Isidro und Tigre, dem Naherholungsgebiet für die reicheren Porteños.
„Turisten“ vorm Modern Art Museum…
…und beim Bier in Tigre

Am 08.03.12 treffe ich mich mit Carola, die ich ebenfalls auf meiner Reise in Kalifornien kennen gelernt habe zum Sushi essen. Sie entführt mich in die schicke Gegend Puerto Madero, die mich mit ihrem aufgepeppten und umfunktionierten alten Hafen, Lofts und anderen modernen Gebäuden an Rotterdam erinnert. Beim Drink schmieden wir den Plan, am folgenden Tag gemeinsam mit dem Touristenbus durch die Stadt zu flitzen. Wir starten am Plaza de Mayo und besichtigen zuerst das Regierungsgebäude „Casa Rosada“, dessen Gratisführung uns sogar ins Büro der gegenwärtigen Präsidentin Cristina bringt. Danach cruisen wir bis zum Sonnenuntergang beim perfekten Wetter kreuz und quer mit dem Cabriobus durch Buenos Aires. Besonders gefällt mir das nicht ganz ungefährliche Künstlerviertel La Boca (unweigerlich hört man das eine oder andere Räubergschichtli) das für seine farbenprächtigen Hausfassaden, unzähligen Strassencafés und Tango-Vorführungen bekannt ist.
Widersehen mit Carola, wo schon Evita stand
Erneut „touristisch“ im Bus unterwegs
Die Geburtsstadt des Tangos
Bunte Häuserfront in La Boca
Eigentlich ist schon länger abgemacht, dass ich gemeinsam mit Sol Argentinien bereise, doch aufgrund ihres „Liquiditäts-Engpasses“ fällt diese Idee ins Wasser. Daher plane ich am Sonntag 10.03.12 meine Weiterreise auf eigene Faust. Dabei komme ich mit Alexander ins Gespräch, der im selben Hostel wohnt und aus Deutschland kommt. Er will kommende Woche ebenfalls den Nordosten von Argentinien bereisen. Da sich ein Deutsch-Schweizer Team in der Vergangenheit schon mehrfach bewiesen hat, verabreden wir, dass wir uns am 12.03.12 in Puerto Iguazú im Hostel Marco Polo Inn treffen. Die 19h Fahrt dorthin trete ich am späten Nachmittag des 11.03.12 an. Mein luxeriöser Supercama-Bus kostet zwar wieder mal ein Vermögen, dafür habe ich auf meinem privaten Screen die Wahl zwischen x-beliebigen, englischsprachigen Hollywoodstreifen, die knapp mal im Kino laufen (Copyrightschutz wird hier nicht so ernst genommen), ein horizontales Bett sorgt für än tüüfe xunde Schlaf und – achtung, jetzt kommts – das Catering beinhaltet extra für mich ein makelloses VEGETARISCHES Essen inkl. Gutenachtchampagner! Einfach zu verstehen, dass von da an die Gesellschaft Via Bariloche mein absolutes Nr. 1 für Busreisen in Argentinien ist. Puerto Iguazú liegt an der Grenze zu Brasilien und Paraguay und ist Ausgangspunkt für die spektakulären Wasserfälle. Das Klima hier ist tropisch heiss und feucht. Ich checke im Hostel Marco Polo ein und kann endlich von meiner Hostel International Rabattkarte profitieren, zur deren Kauf ich mich in Chicago habe überreden lassen. Abends trifft dann auch Alexander ein, der mit dem Flugzeug anreist. Beim gemeinsamen Abendessen lernen wir J.B. aus den USA kennen…und here we go, haben wir eine super Truppe zusammen, um am nächsten Tag die Wasserfälle zu erkunden.
“One’s destination is never a place, but a new way of seeing things.” – Henry Miller
 Cheers
Alex






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