[Los
Antiguos – Chile Chico – Coyhaique – La Junta – Chaitén – Puerto Montt]
Los
Antiguos liegt an der windigen Küste des Lago Buenos Aires, nach dem
Titicacasee der zweitgrösste See in Südamerika, den Argentinien mit Chile teilt
(dort heisst er aber Lago General Carrera – so viel zur argentinisch-chilenischen
Brüderlichkeit). Ausser Knotenpunkt zwischen Chile und der argentinischen Ruta
National 40 (die im Nordwesten in Abra Pampa startet und sich bis Rio Gallegos
im Südosten Argentiniens erstreckt), hat Los Antiguos nicht viel zu bieten.
Daher beschliesse ich mit April aus den USA und Will aus Hong Kong, die
ebenfalls mit mir aus dem Bus aussteigen, einen Taxi zur nahegelegenen Grenze
zu Chile zu nehmen, um dann zu schauen, wie wir weiterkommen. Irgendwie wird’s
schon klappen, sagen wir uns, denn der chilenische Grenzposten ist etwa 9km vom
argentinischen entfernt.
|
Übernächtigter
Abschied von Elena+David |
|
Altes
Schild auf der Ruta 40 |
Nachdem wir
uns in Argentinien am 06.04.12 um 18.15 Uhr ausgestempelt haben, machen wir uns
zu Fuss, bepackt mit unseren Rucksackmonstern auf den Weg für den Chilenischen
Stempel. Bei jedem Auto strecken wir zuversichtlich den Daumen aus, um einen
Transport aus dem kargen Niemandsland zum Grenzposten zu erhalten. Enttäuschung
pur! Wider unseren Plan brausen alle Autos an uns vorbei und unsere Hoffnung
schwindet zusehends. Nach 1.5h sind wir zwar pissed-off, haben aber – à la „das
Glas ist Halbvoll“ – mehr als die Hälfte der Strecke hinter uns. Die Nacht
kehrt bereits ein und ein wundervoller, oranger Vollmond erhebt sich hinter den
Bergen, während ein ekliger Nieselregen einsetzt. Meine Stimmung ist
mittlerweile nahe am Nullpunkt angelangt: kein Auto hält, es ist nasskalt und
windig und die Rucksäcke drücken uns zu Boden. Gerade, als ich die Situation
verfluchen will, hält ein Pickuptruck an, und wir können auf die Ladefläche
aufspringen. Beim Grenzposten angekommen, zeigt die Uhr 19.45; um 20 Uhr
schliesst der Zoll. Wir hätten es niemals geschafft, hätte der nette Fahrer
nicht Mitleid mit uns gehabt. Dieser wartet übrigens auf uns und chauffiert uns
noch bis ins etwa 6km entfernte Chile Chico. ¡Muchas Garcias, Amigo!
|
Enttäuschtes+müdes
Willkommen in Chile.. |
|
..glückliche
Backpacker auf dem Pickuptruck |
Wir finden ein
günstiges Hostel (6000 Peso Chileno; das sind etwa 11 CHF) inkl. Frühstück oder
Küchenbenutzung für die Zubereitung eigener Köstlichkeiten. Nach meiner Logik
würde zwar das eine das andere nicht ausschliessen...anyway… so entscheiden wir
uns für Option Nr. 2, denn sämtliche Restaurants haben aufgrund des Karfreitags
bereits geschlossen. Bevor wir ins Bett plumpsen kaufen wir im nahegelegenen
Supermarkt ein und zaubern Nüdeli mit Tomatensauce. Mmmmh herrlich! Begleitet
vom Geräusch des Windes versinken wir in einen Dornröschenschlaf. Tags darauf,
am 07.04.12 ist es Sonnig und unverändert
windig. Auf der Suche nach einen unverschlüsselten WiFi-Netz erkunden wir, wie eine
Spezialeinheit von Nuklear-Krisenmanagern nach Radioaktivität suchend, mit
unseren Handys in der Hand die verschlafene 4000-Nasen Ortschaft. Ohne Erfolg,
jedoch sind wir äusserst erfreut, dass die Autos hier anhalten, um Fussgänger
über die Strasse zu lassen. Sowas in Südamerika!? Unser Masterplan, das 52km
entfernte „Reserva National Jeinemeni“ (mit den Highlights Höhlenzeichnungen
und Flamingos) zu besichtigen und beim etwa 5h entfernten „Puerto Rio
Tranquillo“ die Marmorhöhlen zu bestaunen, müssen wir schnell begraben. Wegen
den Osterferien haben die Tourenanbieter geschlossen und für Autovermietung ist
das Kaff zu klein. Unser einziges Sightseeing ist daher der nahegelegene Hügel,
wo 210 Treppen zur zutreffend benannten „Plataform del Viento“ führen;
ansonsten verschlafen wir den ganzen Tag. April macht sich am Morgen des
08.04.12 wieder auf den Weg zurück nach Los Antiguos, um von dort einen Bus
nach Bariloche zu nehmen und Will und ich versuchen ein Ticket für die Fähre
nach Puerto Ibáñez zu ergattern. Bad luck, sie ist für heute ausgebucht, daher
verlängern wir um eine Nacht im langweiligen Dorf. Wir sind nicht die einzigen,
die hier steckenbleiben. In unserem Hostel, das die letzten beiden Nächte fast
leer war, sind nun 6 andere Backpacker, die ebenfalls heute kein Ticket mehr
erhalten haben und uns alle dieselbe Frage stellen: Wo zum Geier gibt’s denn
Internet hier? Tja, liebe Backpacker… Chile Chico ist diesbezüglich halt noch
ein paar Jährchen im Rückstand. Unser Bonus fürs hierbleiben ist ein
wundervoller Sonnenuntergang, den wir auf der „Plataform del Viento“ geniessen
und ein prächtiger Sonnenaufgang, den wir am nächsten Tag von der Fähre aus
sehen.
|
Mit
Will auf der Plataform del Viento.. |
|
..beim
kitschigen Sonnenuntergang |
|
Abendsbonus…und
Morgenbonus… |
|
…Wenn der Alpenfirn sich rötet? |
Um Mittag
am 09.04.12 kommen wir in Coyhaique an und machen uns zusammen mit zwei anderen
Backpackern auf die Suche nach einem Hostel, von denen es hier genügend gibt.
Sollte kein Problem sein…eigentlich. Das erste ist zwar herzlich, doch in der
Küche und im Wohnzimmer herrsch ein solches Chaos, dass ich nicht mal nach 11
Monaten Reiseabhärtung dort einchecken würde. Bei den nächsten paar Hostels
treffen wir auf ein absurdes Phänomen. Sämtliche Besitzer sind
stinkeunfreundlich zu uns. Beim einen (sehr schönen, modernen Hostel) wollen
wir schon fast einchecken, da sagt uns der übellaunige Typ von der Reception,
in höchst unfreundlichem Ton, wir dürfen das WiFi erst benutzen, wenn wir
eingecheckt haben (obwohl wir vorher von der anderen Receptionistin das OK
bekommen haben es zu benutzen, während das Zimmer gereinigt wird). Der Fall war
klar: Next… Beim nächsten kommt eine saure, alte Frau aus dem Haus und sagt uns
sie hätte Platz. Als wir nach einer Küche zur Benutzung fragen, will sie uns
nicht mehr beherbergen (HALLO?). Im darauffolgenden Guesthouse – die Zimmer
sind ok – sperrt die griesgrämige Dame uns vor die Türe und wir checken weiter
ab. Stunden später landen wir im „Residencial Mónica“, wo Will und ich uns bei
dem freundlichen, älteren Ehepärchen einnisten, während die anderen beiden
Backpacker noch nach einer günstigeren Variante suchen. Abgesehen von der
eigenartigen Hostelsuche, ist Coyhaique aber eine freundliche 45‘000 Einwohner-Stadt
in der XI-ten Region von Chile, umgeben von Bergketten die bereits mit einem
Flaum von Schnee bedeckt sind. Unser Ziel am 10.04.12 ist der „Cerro Cinchao“
im etwa 1.5h entfernten „Reserva National Coyhaique“. Bei perfektem Wetter machen
Will und ich uns auf den Weg und wandern durch wunderschöne Herbstwälder 3h
bergauf zur Bergspitze und werden von einer atemberaubenden Aussicht auf
Coyhaique und die umliegenden Berge belohnt. Der Wandervogel aus Hong Kong geht
ab, wie ne Tüte Mücken. Er rennt regelrecht den Berg hoch und runter, so dass
ich ihn ein paarmal ermahnen muss, auch die Natur etwas vor Ort zu geniessen
(und nicht nur in retrospektive auf den Fotos).;-) Dafür schaffen wir
die 14km in 6h (normalerweise dauert die Wanderung 7-8h) und können beim
Parkeingang bequem den letzten Bus zurück in die Stadt nehmen. Das ging ja
wieder mal, wie s’Brezel backen.
|
Lamas
in Wintermode |
|
Baer
on the top! |
|
Herbstzauber
in Coyhaique |
Alles läuft
wie am Schnürchen. Am folgenden Tag, am 11.04.12, wollen wir den Bus nach La
Junta nehmen, dort 1 Tag bleiben, und dann weiter nach Chaitén. Die
Busverbindungen dorthin sind sehr unregelmässig, aber wir schaffen es, die
ganze Reise nach unserem Gusteau zu
organisieren. Am Abend des 11.04.12 kommen wir nach einer 7h, vorwiegend
holprigen Fahrt auf einer kurvigen Schotterstrasse, durch urwaldartige grüne
Wälder mit Pflanzen, deren Blattdurchmesser locker 1m betragen, in La Junta an.
Das verschlafene Dörfchen mit altertümlichen Dorfversammlungen und freundlichen
Strassenhunden ist zumeist nur ein Pit-Stop für Reisende, wir sind jedoch hier
um die unberührte patagonische Natur im „Reserva Nacional Lago Rosselot“ zu
erkunden. Schön wärs gewesen, wenn es am 12.04.12 nicht den ganzen Tag in
Strömen geregnet und uns die Wanderlaune komplett verdorben hätte. Zum Glück
logieren wir im gemütlichen „Hospedaje Tía Lety“, wo wir von Grandma bemuttert
werden und den ganzen Tag im getäferten Zimmerchen chillen, das grad mal so
gross ist, dass ein Bett quer und eins längs Platz hat. Bereits um 6 Uhr am 13.04.12
fährt unser Bus, der Will und mich nach Chaitén bringt. Wir hoffen, dort die
Fähre um 10 Uhr zu nach Puerto Montt zu erwischen. Der kleine Sprinter Bus ist
masslos überfüllt und wir sind froh, dass wir unser Ticket im Vornherein gelöst
und somit einen Sitzplatz auf Sicher haben. Wie abgesprochen kommen wir – trotz
kurzer technischer Autopanne – um 09.10 Uhr in Chaitén an, wo man die Spuren
des im 2008 ausgebrochenen „Volcán Chaitén“ noch deutlich sieht: Hals über Kopf
verlassene Häuser und grosse Aschehaufen am Strassenrand. Das Fährenticket
gekauft laufen wir los, 10min Richtung Fähre, und prompt werden wir von einem
heftigen Morgenschauer puddelnass gegossen.
|
Noch
gut Lachen vor dem Regen… |
|
…bis
dunkle Wolken aufziehen |
Die
Überfahrt nach Puerto Montt dauert 9 Stunden und es ist bereits Dunkel, als wir
an der Türe des Rocco Backpacker Hostels klingeln. 12‘500 Peso das Doppelzimmer
(das sind CHF 24), dafür ist ein leckeres French-Toast Frühstück, Kuchen und
die Freundlichkeit des Besitzerpärchens inbegriffen. Ebenfalls im Hostel haust
Gisela aus Flagstaff, Arizona (USA). Als wir uns unterhalten und ich ihr von
meinem USA Trip, speziell vom 20.08.11, wo ich in Flagstaff steil gegangen bin,
erzähle (siehe Blogeintrag „Die Erfüllung eines Traumes…“), finden wir heraus,
dass sie an der gleichen Party war. Mein Gedächtnis etwas getrübt vom
Rum-Konsum an diesem Abend :-), krame ich meinen Laptop hervor und zeige ihr
die Fotos von dieser Party. Sowohl die Band Lowcash, als auch bei einem Foto
von mir und einem „Jeff“ sagt Gisela: „Jaja, diese Leute kenne ich alle und ich
glaub sogar, ich habe an diesem Abend mit einem Schweizer gesprochen!“. Klein
ist die Welt. Bevor Will und ich am 14.04.12 weiter nach Castro auf der Insel
Chiloé fahren, besichtigen wir die typische Hafenstadt Puerto Montt, die überall
gleichen Kunsthandwerkstände und den lebhaften Markt. Als das Wetter zusehends
schlechter wird, sind wir froh, dass wir am Nachmittag mal wieder in einen Bus
steigen können…
|
Aufschlussreiches
Partyfoto… |
|
..Baer
meets Jeff@Flagstaff 20.8.11:) |
|
Oh
it is raining again |
|
Markt
in Puerto Montt |
“The use of
traveling is to regulate imagination by reality, and instead of thinking how
things may be, to see them as they are.” – Samuel Johnson
Cheers
Alex :-)