[Brasilia –
Abadiania – Rio de Janeiro]
Mein
Abstecher auf die brasilianische Seite der Iguazú-Fälle war so kurz, dass er
eigentlich gar nicht als Besuch in Brasilien zählt. Daher habe ich mich
entschlossen, meine verbleibenden Tage vor der grossen Teichüberquerung im Land
des heissen Sambas, der knappen-Bikini-Strände und des Fussball-Fanatismus zu
verbringen. Zufälligerweise veranstaltet zu dieser Zeit Beatrice, meine Cousine,
gerade eine Reise zum Thema Geistheilen beim Medium Joao in Abadiania*. Eine
perfekte Chance, um auf Retreat zu gehen und etwas in den Baer zu kehren!:-) Der
Abschied von Santiago fällt mir etwas schwer, da ich – obwohl, oder grad weil
ich noch nicht so viel Touristisches gesehen habe – die Stadt irgendwie ins
Herzen geschlossen habe. Nicht nur die Stadt, auch das tolle Plaza de Armas
Hostel, die Leute dort und den ganzen Vibe. Erste Überraschung ist am Morgen
des 30.04.12, als ich herausfinde, dass Winterzeitumstellung war. Was hat mich
Jessi in Ushuaia gelernt? „Spring – forward“ und „fall – backward“… so drehe
ich meine Uhr um eine Stunde zurück und gewinne vor meiner Abreise noch eine
Stunde, um gemütlich zu Packen und mir ein reichhaltiges Avocado-Rühreifrühstück
zu machen. Die zweite Überraschung kommt am Flughafen, als ich beim Einchecken per
Zufall David und Lukas treffe, die beiden Amifreunde von Sol aus Buenos Aires,
welche ein verlängertes Weekend in Santiago und Valparaiso verbracht haben. Wir
fliegen mit Flypluna, dem südamerikanischen Pendent zu Easyjet: Komfort = flop
(Sitzreihen so eng, dass man sich mit den Knien beide Ohren zuhalten kann),
dafür Augenweide = top (die Stewardessen bieten ein Labsal für Männerherzen). Und
dies sowohl im Flug von Santiago nach Montevideo (Uruguay) und im Anschluss von
Montevideo nach Brasilia. Den ganzen Tag gedöst, Schlange gestanden, gewartet,
im engen Flugzeugsitz ausgeharrt (und ja, zugegeben auch etwas die Augen
geweidet;-)), komme ich in „Braschiu“ an und werde vom freundlichen
Immigrationsbeamten auf Deutsch willkommen geheissen („Wünsche ihne eine schöne
Aufent‘alt“) und von der grantigen Zöllnerin auf Portugiesisch getadelt (weil
ich noch Äpfel aus Chile mitführe). Zur Feier des Tages checke ich im 4-Stern
Bristol Hotel ein und geniesse zum Tag der Arbeit am 01.05.12 ein vorzügliches
Frühstückbuffet mit Avocado-Smoothie, Cashewnuss-Saft, endlich wieder mal
leckeren Yucca-Brötchen(!) mit Yoghurt (viva Ecuador!) und köstlichem Rührei.
Nun mit dem Spanisch geht’s bei mir mittlerweile so einigermassen. Ich kann
mich durchschlagen und verstehe so einiges. Aber beim Portugiesisch
denke ich mir jedes Mal, wenn jemand mit mir spricht: „Hä? Ich verstehe gar
nix. Nimm mal den Kaugummi aus dem Mund.“ Auf meiner Suche nach dem Busterminal
muss ich so einige Niederschläge einstecken, irgendetwas verstehen zu wollen.
Die Antworten kommen mir mehr als nur spanisch vor. Daher lasse ich mich von
meinem Instinkt leiten und zeige dem erstbesten Buschauffeur einen Zettel, wo
„Rodoviaria“ (das ist die grosse Busstation) und „Bus to Abadiania“ drauf
steht. Er sagt irgendwas, das ich logischerweise nicht verstehe und
signalisiert mir, dass ich einsteigen soll und besteht darauf, dass ich für die
etwa 15 Minütige Fahrt kein Ticket zu lösen brauche. Muito obrigado! Der Ort,
wo er mich herauslässt ist keine offizielle Haltestelle. Aber ich bin da, beim
grossen Busterminal! Und was sehe ich? Bei Bob’s Milkshake erblickt mein geschultes
Auge einen Ovomaltine-Milkshake im Angebot. Obwohl ich vom reichhaltigen
Frühstück noch kein Hunger habe, greift meine „Invisible Hand“ in die
Hosentasche und kramt 8 Real (ca. 3.80 CHF) hervor. Ich bestelle mir gleich
einen halben Liter, um endlich mal wieder ein Stück Heimat zu kosten. Lecker!
In Abadiania finde ich eine andere
Welt vor – also zumindest auf der einen Seite der Hauptstrasse, nämlich dort,
wo die Wirkungsstätte, das „Casa de Dom Inácio“ ist. Pousadas, das sind die
hiesigen Guesthouses, reihen sich aneinander und beherbergen mehrheitlich in
Weiss gekleidete Genesungs-, Rat-, Hilfe- und Erleuchtungssuchende Leute aus
Allerwelt (denn Weiss ist die „Arbeitskleidung“ fürs Casa). Vom New-Age Hippie
bis zum ehemaligen Tauchinstruktor ist jede Bevölkerungsschicht vertreten – und
man spürt: Irgendetwas geht hier vor. Weiter gibt es ein paar Kaffees,
Restauräntchen und Shops in diesem Ort, die ausschliesslich vom Geistheil-Tourismus
leben. Nachdem ich in einer günstigen Pousada eingecheckt habe (30 Real pro
Nacht = ca. 14 CHF), treffe ich Beatrice und wir haben uns nach einem Jahr Baer
auf Reisen viel zu erzählen. Des Weiteren erklärt sie mir die Regeln und
Abläufe fürs Casa und meine Spannung steigt, was mich die nächsten Tage hier
erwarten wird…
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Bier
und Bar auf der einen Seite… |
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Weiss
und wunderbar auf der anderen |
Tags darauf, am 02.05.12 ist es
dann soweit: Baer in Weiss strömt mit hunderten von anderen Anhängern,
Neulingen, körperlich behinderten, Neugierigen und Spirituellen Leuten ins
Casa, um an den täglichen Sessions teilzunehmen, die von Mittwoch bis Freitag
stattfinden. Es herrscht eine anmutige, friedliche und fröhliche Stimmung. Ich tauche
ich in eine ganz neue Welt ein und kehre mit den Gedanken in mich, meditiere viel
und lerne durch Beatrice viele interessante und nette Leute kennen. Ich erlebe
schöne und wundersame Momente und entdecke Seiten in mir, die ich bis anhin nur
vage gekannt habe. Nach einem Jahr Reisen und den unterschiedlichsten
Erlebnissen, Bekanntschaften und Abenteuern finde ich in Abadiania endlich Zeit
(und nehme sie mir auch!), um tief in mich zu kehren. Ganz nach folgendem Zitat von Lillian Smith:
“I soon
realized that no journey carries one far unless, as it extends into the world
around us, it goes an equal distance into the world within.” – Lillian Smith
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Moderation… |
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…Meditation… |
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…und
gute Wünsche |
Die fünf Tage bis zum 05.05.12 vergehen
wie im Flug und ich arbeite daran, meine Wünsche und Erkenntnisse aus meiner
Reise zu manifestieren und auch für andere Leute Gutes zu wünschen. Zudem wird
mir einmal mehr klar, dass es noch andere Dimensionen und Wirkungskräfte gibt
und ich erlebe die Kraft und Freude des Meditierens. Während meiner
bevorstehenden achttägigen Frachtschiffreise werde ich hoffentlich noch
genügend Zeit haben, um dies zu praktizieren und meine Gedanken und Erlebnisse
meiner Reise weiter zu ordnen.
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Mit
Bea und Angelika |
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Mit
Joao himself |
Am 06.05.12 fahre ich mit Beatrice
zurück nach Brasilia, wo wir ihre Gruppe in Empfang nehmen. In der mondänen
Suite von Bea im Manhattan Hotel darf ich die Couch crashen und mich am
reichhaltigen Buffet verköstigen. Der Bundessdistrikt Brasilia zählt 2.6
Millionen Einwohner und ist eine Stadt, die in den 60er Jahren auf dem
Reissbrett designed wurde. Sieht man auch, denn der Gebäudestil erinnert stark
an die kalten 60er und 70er Jahre mit mehr oder weniger stylischen Betonbauten
(je nach Geschmack), die in billigster Qualität und – so scheints – innert
kürzester Zeit erstellt wurden. Von oben sieht die Stadt übrigens einem
Flugzeug ähnlich, dies ist aber eher Zufall oder Interpretation der Leute, denn
man hat die Form eines Kreuzes gewählt, das als Symbol der Landmarkierung auf
einer Landkarte gesehen werden sollte. Anyway… in einem kurzen Sightseeing
Programm besichtigen wir 07.05.12 die wunderschöne Kathedrale von Brasilia mit
ihrem akustischen Phänomen (der Schall wird entlang des kreisförmigen Betonsockels
so gut weitergeleitet, dass man ein Flüstern über mehr als 50m auf der anderen
Seite hören kann). Weiter geht’s über die Juscelino-Kubitschek-Brücke, vorbei
an zahlreichen Regierungsgebäuden zur Don Bosco Kirche, die mich mit seinem
sanften blauen Licht, der entspannten Chillout-Musik und dem prägnanten
Kronleuchter verzaubert. Zweitletzter Halt ist der Tempel des guten Willens, wo
mir oberdoofe Überzugshosen aufgedrückt werden (die mir zudem noch ständig
runterrutschen), da man das Gebäude nicht mit kurzen Hosen betreten darf. Der
Tempel des Guten Willens „Boa Vontade“ ist abermals ein energiegeladener Ort,
ein Ort des Friedens und der Ruhe wo ich einen andächtigen Gang durch die
Spirale zum Kristall hoch oben in der Mitte des Raumes mache. Der letzte Stopp
ist dann eher etwas für den Magen; die Churrascaria „Potencia Do Sul“, ein
typischer, brasilianischer Fleischpalast (wo’s aber auch gutes vegetarisches
Buffet gibt), wo ich von Beatrice eingeladen werde. An dieser Stelle nochmals
vielen Dank an Bea für die wunderbare und inspirierende Zeit! Am Flughafen in
Brasilia gibt’s ein Wiedertreffen mit Chih Chan, mit dem ich damals vor knapp
drei Monaten in Peru herumgezogen bin. Der Zufall bringt uns am selben Tag zum
selben Flughafen und Facebook hilft etwas nach, dass wir uns treffen.:-)
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Aussicht
auf Brasilia mit Megamond |
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Das
Flüsterexperient in der Kathedrale |
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Don
Bosco Kirche |
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Spirale
im Tempel des Guten Willens |
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Wiedertreffen
mit Chih Chan – 100% Brazil |
Spät nachts
komme ich in Rio de Janeiro an und habe keine Ahnung wie, wo und was.
Mittlerweile sind solche Situationen aber keine grossen Herausforderung mehr:
Die Touristeninformation am Flughafen empfiehlt mir ein Hostel (huch, jemand
der Englisch kann!), die Taxifahrt habe ich geschickt heruntergehandelt (und
wohl doch noch zu viel bezahlt) und das Hostelbett im „Bellas Artes Guesthouse“
im Nu bezogen (ebenso schnell versinke ich in einen Dornröschenschlaf). Meine
(zu) kurze Zeit in Rio will ich die nächsten beiden Tage vollends auskosten.
Daher beschliesse ich am Morgen des bewölkten 08.05.12 eine Stadttour zu machen
(andere Sehenswürdigkeiten spare ich mir für morgen auf, wo ich schönes Wetter
bestellt habe). Die Gesinnung einer Stadt lernt man am besten kennen, wenn man
die U-Bahn benutzt. So tauche ich mitten in Rio de Janeiro’s Alltagsvibe der
Rushhour ab, als ich bei der Station „Glôria“ die Treppen zur Metro hinunter
steige. Die Stimmung ist geschäftig, aber ich bin mir sicher, in ihrem
Hinterkopf haben sie Samba, Strand und die Highlights des gestrigen
Fussballspiels. Rio ist eine vibrierende Stadt – und dies nicht nur zur Zeit
des Karnevals! Im historischen Zentrum mache ich meine Tour und sehe nebst
historischen Häusern, gemütlichen Pubs, eifriger Einkaufsmeile die interessante Wanderausstellung von Yann
Arthus-Bertrand, die verschiedene atemberaubende Fotos der Erde von oben zeigt
(mehrere der dargestellten Schauplätze habe ich auf meiner Reise besucht!).
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Pictures
of… |
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...the moment... |
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...in Rio |
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Baer
steht auf Rio |
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The Arches |
Das Wetter ist am 09.05.12 wie bestellt sonnig! Nichts wie
los zur 38m hohen Christusfigur auf dem Gipfel des Corcovado, dem Wahrzeichen
von Rio und einer fesselnden Aussicht auf die zweitgrösste Stadt Brasiliens.
Nach diesem Zückerchen, geht’s direkt weiter mit der Seilbahn auf den Zuckerhut,
wo ich mit einer ebenso schönen Aussicht auf den Yachthafen und den Copacabana
Strand belohnt werde. Danach geht’s noch kurz an den Strand im Stadtteil Copacabana,
bevor ich nach meinem Blitz-Sightseeing ins Hostel zurück gehe und meine sieben
Sachen zusammenkrame und mich am späten Abend zum Flughafen aufmache, um meinen
Flug via Panama nach New York zu erwischen.
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Who’s Jesus
now? |
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Blick vom Zuckerhut |
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Und
hier noch das ganze Rio-Panorama |
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Ohne
Worte |
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Der
Zuckerhut von Copacabana aus :-) |
“Travel and
change of place impart new vigor to the mind.” – Seneca
Cheers
Alex
* Für mehr Infos zur Arbeit meiner Cousine:
www.lichtfluss.org
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