Mittwoch, 28. Dezember 2011

Auf den Spuren der geheimnisvollen Mayas

[Oaxaca – San Cristóbal de las Casas – Palenque – Tulum – Playa del Carmen – Isla Mujeres – Cancún 2]
Um Oaxaca zu erreichen muss ich mich erst einer halsbrecherischen Busfahrt über einen kurvigen Pass stellen. Der Fahrer rast und ich bin zur Abwechslung mal froh über die Topes. Im Hostal del Mercado eingecheckt, erkunde ich die lebhafte Stadt der Künstler, Museen und Mezcal-Shops (das Agavegebräu wird an jeder Ecke feilgeboten – manchmal sogar inklusive dem darin schwimmenden Agavewurm). Beim Abendessen (wo ich die komplex mit 21 Zutaten zubereitete – und ebenso schmeckende – Mole Sauce probiere) lerne ich John aus Australien kennen, der schon seit Ewigkeiten unterwegs ist. Um Geld zu verdienen, jobbt er ab und zu als Animationsdesigner für die Filmindustrie (so hat er z.B. die Schlange im letzten Harry Potter animiert). Zurück im Hostel treffe ich auf meinen Roommate, einen 69-Jährigen Mexikaner, der auch schon 9 Jahre am reisen ist, sich sein Reisen aber anders finanziert bekommt. Unter vorgehaltener Hand erzählt er mir, dass sein Bruder der meistgesuchte mexikanische Drogenbaron ist. Damit ich nicht zum „der Mann, der zu viel wusste“ werde, lasse ich hier weitere Ausführungen.:-) Am 04.12.11 starte ich mein Sightseeing Programm schon früh: Erkunden der Stadt (Zócalo, Calle Alcalá, Iglesia de Santa Domingo, Instituto de Artes Gráficas, Centro Fotográfico), erklimmen des Monte Albán (majestätische Zapotekenruinen aus 500 v.Chr. mit einer frischen Bergbrise), erleben von Arbol Del Tula (über 2000 Jahre alter und mit seinem Diameter von 14m dickster Baum der Welt) schaffe ich in einem Tag. Hungrig vom Mordsprogramm schleppe ich mich mit letzter Kraft ins Flor de Loto, wo der joviale Kellner sogar ein paar Worte Schweizerdeutsch kann.
Sonntagmorgen in Oaxaca
Der geschäftige Mexikaner:-)
Die mystischen Ruinen auf Monte Albán
Dickster Baum der Welt (vgl.Leute dahinter)
Per Zufall Julia wiedergetroffen
Nach einer heissen Schokolade und süssem Brot darin getunkt, mache ich mich am Morgen des 05.12.11 auf zum Busbahnhof – weiter geht die Reise. Der Nachtbus nach San Cristóbal de las Casas geht zwar erst am Abend, so habe ich Zeit zum bloggen während ich vom Musikshop gegenüber mit ver-salsa-ten Popliedern berieselt werde. Zufällig treffe ich auf Julia, die ich ganz zu Beginn im Hostel in Cancún kennen gelernt habe. Die Welt ist eine Scheibe. Nicht? Na aber der ADO Busbahnhof definitiv eine Drehscheibe für Reisende! Am Morgen des 06.12.11 komme ich etwas übernächtigt in San Cristobal an. Auf dem Weg zum Hostel treffe ich auf Ulla und Claudia aus Deutschland, die dito auf Hostelsuche sind. Wir entscheiden uns für die Jugendherberge und schlagen so noch Prozente raus mit meiner Mitgliedskarte (für alle notabene); ebenso frech gehen wir Frühstücken.:-) Die Aussicht auf das morgendliche San Cristóbal müssen wir uns zuerst verdienen, indem wir zur Kirche Cerro de San Cristóbal hochlaufen. Drinnen in der Kirche ist die Weihnachtsdeko bereits montiert. Unter anderem so grell leuchtende farbige Neonröhren um ein Bild der Schutzpatronin Guadalupe, dass meine Augen brennen. Anschliessend bummeln wir durch die schüsig-farbig-koloniale Stadt und lassen uns selbstverständlich das Schokoladenmuseum inkl. Pralinentasting nicht entgehen. Während die Ladies Reiten gehen (ich die Idee des Reitens aber nichts für mich finde), miete ich mir ein Bike und radle etwa 10km zu den Grutas de San Cristóbal (Rancho Nuevo Höhlen). Als es etwa 6km bissig bergauf geht wünsche ich mir heimlich ebenfalls auf nem Gaul zu sitzen. Die Höhlen sind in einem lichten Pinienwald mit 80er Jahre-orangen Restaurants und Souvenirshops. Ein 350m langer beleuchteter Gang in die Höhle eröffnet mir eine neue unterirdische Welt mit unzähligen Stalagmiten und –laktiten.
Aussicht auf San Cristobal
Dinner bei der etwas verrückten Liz
Biker + Höhlenforscher Baer
Picture of the moment in San Cristobal
Am 07.12.11 beschliessen wir gemeinsam eine Tour nach Palenque zu unternehmen und dann statt nach San Cristóbal zurück zukehren gleich von dort mit dem bewährten Nachtbus nach Tulum weiterzureisen. Auf die Wasserfälle Agua Azul und Misol-Ha werfen wir nur kurz einen Blick, da wir jedes Mal, wenn wir zum Touribus aussteigen, mit Regen empfangen werden. Den Rest der Zeit schlagen wir im Trockenen (oder im Schärmen, wie ich den Deutschen Mädels auf gut Schweizerdeutsch beibringe) tot. Die Maya Ruinen von Palenque liegen mitten im Jungle und somit fügt das bewölkte Wetter ein gewisses Abenteurer-Flair hinzu, als wir die Anlage betreten und von weit her die Affen röhren hören. Erst als es ganz am Schluss unserer Tour zu Regnen beginnt, nimmt der Spassfaktor etwas ab. Dennoch sind diese mystischen Mayaruinen mit einem begehbaren Grab im Innern von El Palacio das Highlight der bis jetzt besichtigten epochemachenden Stein-beige-Meisterleistungen.
Mayaruinen mitten im Dschungel
Mayaruinen mitten im Dschungel
Die Nachtfahrt bringt uns am 08.12.11 vom Regen in die Sonne und von der kalten Berglandschaft wieder zurück ans türkisblaue Meer von Tulum. In der Berauschtheit des Meeresrauschens beschliessen wir für eine Nacht eine Cabaña am Meer zu nehmen – obwohl uns der Rezeptionist im Hotel Zazilkin in höchstem Masse unsympathisch empfängt. Dieser erste Eindruck wird sich später noch bestätigen. Nun  ist aber erst mal am Strand chillen,  beim Riff schnorcheln und lecker Abendessen angesagt. Die Nacht in unseren Cabañas ist bitterkalt und der Hauch von Laken spendet nicht wirklich Wärme. Umso mehr freue ich mich, als der Wecker mein Zähneklappern um 06.25 übertönt, um zur Abwechslung mal dem Sonnenaufgang beizuwohnen und anschliessend in der Morgensonne am Strand Joggen zu gehen. Als wir den missvergnügten Rezeptionist bitten, ob wir unsere Rucksäcke bei ihm lagern dürfen, während wir die Maya Ruinen am Strand von Tulum besichtigen, verneint er dies uns gehässig. Und warum können denn die drei Australier ihr Gepäck bei ihm lagern?  Tja, manchmal begegnet man halt auch solch sturen Leuten auf seiner Reise. So checken wir zuerst im günstigeren Hostel Weary Traveler im Zentrum von Tulum ein bevor’s wieder zurück zum Strand und Sightseeing geht. Als wir die ehemalige Tempelanlage von den Mayas in Tulum betreten, kann ich lebhaft nachvollziehen, warum sie sich gerade hier niedergelassen haben. Im Vergleich zu Dschungel, Bergspitze oder mitten in einer Steppe, thront diese Anlage Ferienresort-mässig über dem türkisblauen Meer der karibischen See. Das Leben in der Maya  Kommune mit eigenem Strand muss dereinst traumhaft gewesen sein. Heutzutage ist die Anlage jedoch nur noch von Touristen und fast ebenso vielen Iguanas bevölkert. Am Abend ist „grand opening“ der Bar „Juan y Jose“ direkt gegenüber dem Hostel. Bei Free drinks sind natürlich auch wir mit von der Partie.
Später Abend in Tulum
Maya Traum-Beachresort
Maya Traum-Beachresort
Mit Ulla+Claudia auf den Spuren der Mayas

Unsere nächste Destination am 10.12.11 ist das obertouristische Playa Del Carmen, wo die Preise nebst mexikanischen Pesos auch in US Dollar und Euro angeschrieben sind und eine garstige Touristenschaar von hauptsächlich amerikanischen Billigurlaubern in den Strassen herumtummelt. Kein Ort zum wirklich wohl fühlen – aber bestimmt gut zum Party machen. Für einen Schnäppchenpreis haben wir uns das komfortable Hotel Barrio Latino in Strandnähe reserviert. Doch weder Party noch Strand werden wir in „Playa“ aufmischen, denn wir haben keinen Bock auf Massentourismus. Abends chille ich mit Ulla und Claudia in der Strandbar Fusion und beobachten bei einem Gin Tonic, wie der Mond langsam aufgeht und seinen silbernen Glanz auf dem Meer verteilt. Tags darauf gehen wir auf den tagesfüllenden Tupperware Party-Trip Namens: „Easy Tours to Chichén Itzá, Cenote…whatever und Valladolid“. So viel zu „Kein Bock auf Massentourismus“.:-) Der Touribus holt uns schon früh beim Hotel ab und macht seine erste Pinkelpause just bei einem grossen Souvenirshop. Chichén Itzá ist die berühmteste und besterhaltene Mayastätte, wo sich bereits Kreti und Pleti tummeln, als wir gespannt aus unserem Touristenbüschen aussteigen. Die Guided Tour führt uns an mehr Souvenirständen vorbei, als an Mayaruinen selbst. Doch wir haben im Anschluss ja noch grosszügige 30 Minuten zur freien Verfügung zum erleben des Mayaspirits. Obwohl man hier die Ruinen nicht besteigen darf, bin ich sehr beeindruckt von der mystischen Anlage. Ich versuche mit der linken Hirnhälfte das strukturierte, orientierte und astronomisierte Design zu verstehen und mit der rechten Hirnhälfte den Spirit zu fühlen und mich in das geschäftige Treiben der alten Zeit, rund um die Pyramide von Kukulcán zurück zu versetzen. Im Anschluss geht’s zur Cenote Ik Kil, die man nur durch einen clever angelegten Souvenirshop betreten kann. Im grossen Wasserloch, das den Mayas wohl als Wasserspeicher gedient haben muss, hängt vom Rand viel Grünzeug herunter und sorgt für eine wundervolle Verzierung. Nun haben wir Hunger auf das bevorstehende Buffet. Ich rechne schon mit dem Schlimmsten, als wir bei einer grossen Restaurantanlage anhalten (gegenüber gibt’s übrigens einen Souvenirshop) und uns die Angestellten mit Mexikanischer Musik und einem gekünstelten Lächeln fürs à discrétion Buffet empfangen. Der Food ist aber erstaunlicherweise lecker und pro-vegetarisch! Während dem Essen werden uns Mexikanische Volkstänze vorgeführt und ich fühle mich, wie Eric Cartman im Casa Bonita!:-) Dann zieht die Karawane der Touristenbusse weiter auf einen kurzen Abstecher in die Provinzialstadt Valladolid, um – falls bis jetzt noch nicht erledigt – die letzten Souvenirs zu ergattern.
The Baer brav bei Cichén Itzá…
…und später beim Seichmachen
Beschwimmbare Cenote
Etwas übersightseed in Valladolid
In meinem Lonely Planet wird Isla Mujeres als beste Insel der Gegend gerühmt, daher beschliessen wir am 12.12.11 nichts wie dort hin! Wir sind jedoch etwas enttäuscht, als wir vom touristischen Playa auf der fast ebenso touristischen Insel ankommen. Die „Insel der Frauen“ kann weder mit der verchillten Atmosphäre von Holbox mithalten, noch einen schöneren Strand, als Tulum bieten! In unserem Hostel Poc Na feiern wir am Abend eine ausgelassene Beachparty unter Palmen – schon nur deswegen hat sich der Trip auf die Insel gelohnt. Tags darauf, am 13.12.11 kehre ich mit Ulla und Claudia zurück nach Cancún, wo wir das Partymachen aber – ganz a-typisch für Cancún – bleiben lassen.
~The End~
“There is a great moment, when you see, however distant – the goal of your wandering. The thing which has been living in your imagination suddenly becomes a part of the tangible world.” – Freya Stark
Cheers
Alex

Samstag, 24. Dezember 2011

Mehr Stadt und Meerstadt – statt mehr Zeit

[Mexiko Stadt – Teotihuacán – Acapulco – Puerto Escondido]
Ich geniesse das Busfahren durch Mexiko. Nicht unbedingt wegen der Landschaft, denn diese ist fast überall gleich öde: entweder Palmen, grüne Büsche und sonstiges Gestrüpp, oder heruntergekommene und in der Zeit stehengebliebene Örtchen mit VW Käfern, mobilen Taco-Ständen und vielen Coca-Cola Werbungen. Auch mag ich das Busfahren nicht besonders wegen der Topes aka Bumpers, die manchmal alle hundert Meter den (meist rasenden) Bus fast zu einem Vollstopp bringen. Viel mehr liebe ich den Komfort (On-board WC für alle Fälle, Klimaanlage, bequeme Sitze), das aus dem Fenster träumen, Musik hören, auf meinem Laptop einen Film schauen oder einfach mal ein paar Stunden fokussierte Gedanken haben und zur Ruhe (und doch vorwärts) zu kommen. Es lebe das Reisen! Erholt komme ich am 24.11.11 nach 6h Quality-Bus-Time im zur Küste spürbar kühleren, ultimativen 21 Millionen-Metropole, Mexiko Stadt an und wundere mich noch, während ich mit Sack und Pack beladen in der Schlange ca. 1h auf ein Taxi warte, dass es hier so frisch nach Blumenwiese riecht… Bis ich herausfinde, dass es mein Axe Duschgel ist, der in der Seitentasche des Rucksacks ausgelaufen ist. Shit happens.:-)
Im Hostel Amigos eingecheckt, steigt die Party bereits am ersten Abend in der Hostelbar, wo ich Santiago aus den USA kennen lerne und wir Pläne für den 25.11.11 schmieden… Uns ist am Morgen zwar noch nicht so ganz nach Sightseeing, doch langsam tauen wir auf, als der Tourbus vom Hostel beim ersten Stopp, dem Tlatelolco hält. Hier am Plaza de las tres culturas ist die Fusion sichtbar: Prä-hispanische Aztekenruinen treffen auf die im 17-jahrundert durch die spanischen Eroberer erbaute Kirche „Templo de Santiago“ (notabene frech mit Steinen der Aztekenpyramide) vor einer Kulisse der heutigen mexikanischen Stadtkultur. Die nächste Station ist  die Basílica de Guadaloupe, eine Kirche  die zur Ehren von Mexiko’s Schutzpatronin Guadaloupe um 1700 gebaut wurde, heutzutage aber, wie der Turm von Pisa, ziemlich schief in der Landschaft steht. Das kommt daher, dass Mexiko Stadt auf einem trockengelegten See erbaut ist und ganze Stadtteile allmählich im unsicheren Erdboden versinken. Folglich stehen auch weitere, alte Gebäude (vornehmlich Kirchen) von Mexiko Stadt in teilweise kritischer Schieflage. So musste in den 70er Jahren eine neue, absturzsichere, runde Kirche her. Diese ist „etwas“ grösser und fasst über 40‘000 Gottessuchende. In diesem Jahr wurde ein dritter, noch modernerer Gottesbau auf den Platz geknallt. Der Komplex der überwältigenden Pyramiden Teotihuacán ist unser letzter Halt. Ich bin erstaunt mit welchen ausgeklügelten technischen Mitteln (und  ausgebeuteten sklavischen Kräften) diese Anlage erbaut werden musste. 150m lang und 46m hoch resp. 222m lang und 65m hoch thronen Mond- und Sonnenpyramide in der Anlage, mit logischem Schema, exakter Ausrichtung zu den übrigen, kleineren Bauten und sogar eingebettet in die Silhouette der umliegenden Hügelzüge. Ein Ort, der mich vor Staunen aus dem Atem bringt, genauso wie das Besteigen der hohen Stufen (und fast einen Oberschenkelkrampf beim Heruntersteigen).
Kirchen: Bunkerlook und Pisaträchtig
Tlatelolco – wer sieht 3 Kulturen?
Der Herrscher spricht zu seiner Schaar
Gut lachen: vor der Sonnenpyramide
Per U-Bahn und Taxi geht’s am Abend mit Santiago und Tamar aus Israel zum Six Flags Freizeitpark; aber nicht für Zuckerwatte und Achterbahn, sondern für den Auftritt des Deutschen DJ-Urgestein Paul Van Dyk. Der Abend verläuft, wie die Komparation eines Adjektivs: Glücklich: Genau sieben Tickets sind noch verfügbar, als wir zur Kasse kommen. Glücklicher: Als wir die Arena betreten spielt der Pre-act just den Klassiker Barber’s Adagio for Strings. Am Glücklichsten: Nach dem Kauf eines Langarm T-Shirts (hätte ich gewusst, dass es draussen ist, wäre ich nicht nur im T-Shirt gekommen), einem Rum+Coke (…what else?) und dem Opening von Paul Van Dyk (für Kenner: For an Angel), ist der Abend perfekt. Filigrane Mixes, eine kurze Dubstep Einlage und ein weiteres Brett „Nothing but You“ sind meine persönlichen Highlights.
Noch etwas kühl mit kurzen Ärmeln…
…Longsleeve Shirt: Unsere beste Investition
Alle erwarten Paul van Dyk…
…put your hands up!
Ich kämpfe mich am nächsten Morgen durch die zähflüssige Samstags-nachmittags-Menschenmasse des Zócalos, vorbei an Strassenverkäufern, die wild durcheinander schreiend ihren Kitsch feil bieten, während Arbeiter der Stadt hoch oben über den Platz die Beleuchtung des überdimensionalen Weihnachtsbaumes montieren. Bei den aztekischen Tänzern, die inmitten der Menge ihr eigenes Ding durchziehen, bleibe ich stehen und schaue einen Moment zu. In Schlangenhaut und Federn gekleidet hüpfen und hopsen sie zu Trommelmusik; daneben ein Guru der Touristen in Copal-Rauch hüllt, um ihren Geist und Körper zu reinigen. In der Catedral Metropolitana finde ich etwas Ruhe vom Wirrwarr, bevor’s wieder raus geht, um das umliegende Centro Histórico zu erkunden. Plötzlich sehe ich einen Mann mit blutverschmiertem Mund. Ich muss wohl falsch gesehen haben. Doch dann erblicke ich eine bleiche Frau mit Platzwunde im Gesicht und zerrissenem Gewand. Immer mehr Zombies tauchen auf und schleppen sich von allen Richtungen kommend langsam Richtung Zócalo, wo eine Versammlung der Untoten stattfindet.  Fast 10‘000 Verkleidete nehmen am Zombiewalk teil, mit dem gemeinsamen Ziel: Guinness-Buch der Rekorde.
Spirituelle Reinigung


Zombies tauchen auf..

..lechzend nach Blut
Ein ganz normaler Zócalo?
Wären da nicht die Zombies!

Am 27.11.11 ist ein grauer und kalter Tag, daher nehme ich mit Tamar den bequemen Touribus, um möglichst viel von der grossen Stadt zu sehen. Sobald ich den Überblick gewonnen und die Highlights von Mexiko City gesehen habe, wage ich am 28.11.11 einen Fussmarsch durch den gigantischen Markt nordöstlich des Zócalos, entlang der poschen Strasse Paseo de la Reforma in die aufregende Zona Rosa, die seit den 60er Jahren ihre besten Zeiten aber hinter sich hat. Mexiko Stadt ist so gross und bietet enorm viel, dass sogar die Bewohner noch bei weitem nicht alles gesehen haben können. Also wird auch mir in der kurzen Zeit (langsam rennt mir die Zeit davon, denn am 14.12. muss ich wieder in Cancún sein) nur ein kleiner, aber sehr vielfältiger Einblick gewährt… $
Mexiko+der Tod


Auf dem Markt

Snack gefällig?

Als Kontrast zur Grossstadt mache ich am 29.11.11 mit Tamar einen Ausflug nach Xochimilco. Per Metro und Zug gelangen wir zu den „floating garden“, ein Überbleibsel aus der Prä-hispanischen Zeit, ganz in den Süden von Mexiko City. Wir mieten uns eine der farbigen jinera (Gondeln) und lassen uns gemütlich für eine Stunde durch die Gewässer schiffen. Erholung pur! Am Abend ist Lucha Libre in der Arena Mexico angesagt, wo Charakteren, wie La Masca, Rush, Angel de Oro und El Terrible in einer eher lachhaften Wrestlingshow ihre Moves zum Besten geben. Der Heldenkampf wird in Masken ausgetragen, die den jeweiligen Charakter des Kämpfers widerspiegeln und meistens gewinnen die guten Jungs gegen die Bösen (die versuchen die zu Regeln brechen). Nicht selten werden die Böslinge über den Ring geworfen und der Kampf ungehindert in der ersten Reihe des Publikums fortgesetzt. Einmal landet sogar ein schweissgebadeter Pantomime-Kämpfer auf dem adrett gekleideten Publikum. Am meisten gefallen mir aber die lasziven Nummerngirls.:-) Selbstverständlich habe ich am Ende des Kampfes eine zu meinem Camaro passende Lucha Libre Maske erstanden!
Mit Tamar auf der Gondel..
..in den Gewässern von Xochimilco
Chillende Jungs…
…und chillender Hund
Eins auf die Fresse beim Lucha Libre..
..mit meiner Maske schlag ich zurück!
Und dann am 30.11.11 gehts auf nach Acapulco. Eine Stadt am Pazifik, die man gesehen haben muss egal, was andere Reisende erzählen, oder Loneley Planet über „Danger&Annoyances“ warnt (…unprecedented level of violence…rival cartels battle for the area’s lucrative drug corridor…things being stolen from hotel rooms and at the beach…corrupt police…taxi drivers with bad intentions…). Nach 5h Busfahrt, einem Movie, einer Mütze Schlaf und etwas im Loneley Planet geschnoiggt später komme ich an: Wärme, Strand und ein besonderer groove. Kein Wunder haben in den 50er Jahren Stars, wie Frank Sinatra, Elvis Presley oder Elizabeth Tylor hier aufgemischt. Doch vom Jet-set fame aus dieser Zeit ist nicht mehr viel übrig geblieben. Nichts desto trotz strahlt die Stadt noch immer ihren Charme aus. Hoch oben auf einem Hügel checke ich im Hotel La Torre Eiffel ein. Auf der einen Seite des Terrasse das ruhige Meer und der Mond, der langsam aufgeht auf der anderen Seite die Stadt mit ihren unendlichen Lichtern. Leise Musik vom Zócalo zeugt von Lebendigkeit, während eine frische Brise vom Meer her ein „Geniess dein Leben“ haucht. Ein Million Dollar place! Gemeinsam mit Alfred, einem Rentner aus den USA, der hier in Mexiko seine Pension verjubelt, kille ich ein paar Bierchen und geniesse die Atmosphäre. Am Morgen des 01.12.11 gehe ich im hügeligen Gebiet in der Morgenhitze und dem Gestank der unkatalysierten Autoabgase joggen. Keuchend komme ich zurück zum Hotel und lechze nach einer kalten Dusche. Acapulco ist bekannt für seine Klippentaucher von La Quebrada. Seit 1934 springen die mutigen Jungs von bis zu 35m hohen Klippen in die enge Meeresbucht – und gerade ebenso faszinierend ist auch, wie sie zuvor die steilen Klippen erklimmen. Wenn ich noch mehr Zeit gehabt hätte, wäre ich bestimmt noch ein paar Tage in Acapulco geblieben, doch ich habe noch eine lange Reise vor mir…
Mein Million Dollar View von der Hotelterrasse
Nach dem obligaten Berg- und Taljoggen am Morgen des 02.12.11, ist mal wieder 8h Busfahren angesagt, mit dem Ziel Sonnen-, Surf- und Partyperle der Pazifikküste: Puerto Escondido. Es wäre bestimmt eine erholsame wie actiongeladene Stadt am Meer, aber nach einem ausserordentlich leckeren Abendessen im El Jardín (Geheimtipp: Gado-Gado probieren) und einem fast-Party-exzess (ich höre in meiner Cabaña jeden beat, doch ich bleibe stark und montiere die Ohropax und wechsle in „sleep mode“), fröne ich am nächsten Tag bereits wieder meinem neuen Hobby: 7h Busfahrt (nach Oaxaca).
“Our battered suitcases were piled on the sidewalk again; we had longer ways to go. But no matter, the road is life.” – Jack Kerouac
Cheers
Alex

Freitag, 2. Dezember 2011

Zurück in der Grossstadt: Krach, Kitsch und Käferalarm

[Mérida – Uxmal – Campeche – Villahermosa – Veracruz]
Wie heisst es so schön: Man soll den Teufel nicht an die Wand malen. Es scheint, je mehr ich über meinen nassgewordenen Rucksack blogge, desto öfters passiert es. So selbstverständlich auch auf der 6h Busfahrt nach Mérida. Der heftige Platzregen kurz vor Ankunft hat irgendwie den Weg ins Gepäckfach zu meinem Rucksack gefunden. Selbstredend wird nur mein Backpack nass und ich kann wiedermal Kleider trocknen… Der grössere Schock kommt aber noch: Die Grossstadt! Obwohl Mérida nur 780‘000 Einwohner zählt, fühle ich mich nach den zwei Wochen im Paradies, wie ein Bündner Bergbauer am Zürifäscht. Ich bin mir den Lärm, die vielen Leute, das Durcheinander und vor allem den Verkehr nicht mehr gewöhnt. Auf dem Weg zum Hostel Casa Nico werde ich ein paar Mal fast Opfer eines rasenden Busses oder hupenden Taxis. „Adee merci“…Paradies einfach – oder vielleicht auch die Hölle, wegen Dubai’s Hotelschwindel von annodazumal.:-) Nun, soweit kommt es zum Glück nicht. Ich stosse lediglich ein paar Mal fast den Kopf an den tief gesteckten Stangen der Vordächer der Früchte-Allerlei-Kitschwaren-Shops, die sich offensichtlich an der durchschnittlichen Mexikanergrösse und nicht am Backpacker Baer orientieren.
Mérida ist eine geschäftige, laute, verpestete und heruntergekommene Stadt mit engen Strassenkluften, die den Krach des Verkehrslärms wie ein perfekt funktionierender Röhrerverstärker mindestens um das Doppelte amplifieren. Umso mehr ist der Plaza Grande im Zentrum eine Oase mit seinen gemütlichen Sitzbänken, schattenspendenden Bäumen und lockenden Strassencafés rundherum. Gemeinsam mit Sabine und Marco, die mit mir aus Holbox gekommen sind, erkundige ich die Stadt. Am Abend gehen wir zum Parque de Santa Lucia, wo gratis heimische Musik und Tanz geboten wird. Auch nachts bleibt mein sensibles Ohr vom Lärm leider nicht verschont, denn mein Zimmer  ist direkt an der Kreuzung einer vielbefahrenen Strasse die mich – im Gegensatz zum Meeresrauschen von Holbox – nicht grad in den Schlaf wiegelt.
Blick auf den Zócalo
Mérida schwingt das Tanzbein
Am Morgen des 18.11.11 nutzen wir ein weiteres Gratisangebot der Stadt: Free guided walking tour of the historic center. Der fachkundige Guide Victor Hugo erläutert uns die Geschichten zu den nahmhaften Gebäuden rund um den Plaza Grande. Im Sightseeingrausch buche ich anschliessend eine Tour zu den Tempeln von Uxmal inklusive Dinner und Sound+Light show. Die Mayaruinen sind imposant, das Buffet mässig und das Licht der nächtlichen Show in keinem logischen Einklang mit den theatralischen Geschichten über die Götter, die Wasserknappheit der Mayakommune und die Herrschertochter, die mit einem König verheiratet werden soll, aber einen anderen liebt. Inmitten der Ruinen treffe ich auf Nailea Norvind, ein mexikanischer Film- und Soapstar, die mir wärmstens das Maissorbet Champola de Elote von der Eisdiele Helados Colón in Mérida empfiehlt und gerne vor den Kameras der Touristen posiert.
Victor’s Sightseeing mit Marco+Sabine
Eindrückliche Tempelanlage in Uxmal

Meet&Greet mit Nailea
Relikt des Mesoamerikanischen Ballspiels

Die Show bringt versteckte Schlange ans Licht

Tortilla geflällig?
Am nächsten Tag koste ich das exquisite Maissorbet zum Frühstück. Es schmeckt enttäuschend unterdurchschnittlich, genau, wie der Rest der mexikanischen Küche. Nach diesem Erlebnis besteige ich zusammen mit Marco den Bus nach Campeche, wo wir nach 5h Fahrt ankommen. Campeches Innenstadt hat perfekt renovierte, in allen pastellfarben bepinselte Häuserreihen, einen einladenden Plaza Principal, einen aufgepeppten Malecón (Promenade am Meer) und einen frenetischen Markt, der definitiv ein Besuch wert ist! Sabine, die wir in unserem Hostel La Parroquia wieder treffen schlägt vor, dass wir am Abend des 19.11.11 eine lokale Tanzaufführung besuchen, die gratis ist. Die lokale Ballettschule präsentiert in einem Bouquet von farbenfroher Kleidung ihre jährliche Performance. Das ist der schöne Teil. Der desolate Teil hingegen, sind die übersteuerten Boxen, die viel zu laut haarsträubende Klaviermusik plärren und dem Ganzen einen schrecklich-kitschigen Ton verpassen. Aber auch sonst scheinen die Mexikaner auf minderwertigen Kitsch zu stehen. Da findet am selben Abend ein Weihnachtsmarkt statt, wo Ramsch und Klimbim feil geboten wird (inklusive einer weiteren kitschigen Weihnachts-tanzshow), nahe des Zócalos gibt es eine Aufführung mit einem abgeschmackten Clown auf der Bühne (was aber-so scheint es-die Masse amüsiert) und sämtliche bis jetzt in Mexiko gesehenen Strassenstände verkaufen im wahrsten Sinne des Wortes billige Artikel (von Armanifake-Portemonnaie bis Zahnbürsten-SpongeBob).
Farbenfrohes Ballett
Farbenfrohes Campeche
Kathedrale am Zócalo
Historische Innenstadt by night
Die Nacht auf den 20.11.11 wird durch eine Mückeninvasion und viel Lärm von umliegenden Festivitäten wieder mal zu einer ungemütlichen Erholung. Um frisch zu werden, brauche ich erst mal ein Goggi und erkunde dann den geschäftigen Markt mit vielfarbigen Früchten und Gemüse, frischem Fisch und Fleisch, einer kleinen Zooabteilung, wundervollen Blumen, eklig riechendem Essen und viel, viel mehr Ramsch (wie wärs mit einer blinkenden Weihnachtskette, die eine Melodie dudelt?). Danach suche ich den Bus für meine Weiterreise, der mich nach 7h inkl. Reifenpanne nach Villlahermosa bringt. Es ist zu spät für Sightseeing (es gibt auch nicht viel zu sehen hier) und am nächsten Morgen besteige ich bereits wieder einen Bus und komme nach 8h Fahrt in (as funky as Mexico can get) Veracruz an.
Geschäftiges Treiben am Markt
..wie wärs mit ner Wüstenspringmaus?
Käferalarm! Was im Balkan der BMW ist, scheint hier in Mexiko der „Vocho“, der VW Käfer zu sein. Dereinst in Herden in Mexiko hergestellt gibt es heute noch unzählige Ersatzteile und auf Kugelporsche spezialisierte mecánico automóvil. Somit hat das Gefährt, das von 1964-2003 in Mexiko hergestellt wurde, noch lange nicht auskutschiert. Fazit: In jeder mexikanischen Stadt verpesten die historischen Karrossen in Scharen die Luft mit ihrem süsslichen CO2-geladenen Abgas – so auch in der Hafenstadt Veracruz.
Verschiedenste Variationen…

…von VW Käfern, manchmal…
…zu verlottert zum selber starten…

…aber definitiv Familienstolz!
Hier ich bleibe für drei Nächte im Hotel Villa Rica, direkt am Meer, respektive am vielbefahrenen Boulevard Camacho. Selbstverständlich hat auch diese Stadt einen zentralen Platz, den sogenannten Zócalo, dessen Lebhaftigkeit gegen Abend immer mehr zunimmt. Während der beiden Tage gehe ich am Morgen jeweils am Strandboulevard joggen. Ich bin nicht der einzige, der früh am Morgen an der abgasgeschwängerten Meeresluft am Strand Sport macht: eine Horde Zumbatanzender Hausfrauen jubeln und winken mir zu, als ich an ihnen vorbeirenne. Auf dem Rückweg, sichtlich ausgebrannt und nach einem Gatorade lechzend, sehe ich doch tatsächlich noch ein bekanntes Gesicht: Nailea Norvind lächelt mir von einem Werbeplakat entgegen. Den Rest der Tage erkundige ich die Stadt, sitze in Strassencafes und beobachte die Leute oder chille am Pier und schaue den grossen Frachtschiffen zu, die im Hafen einlaufen. Am 24.11.11 nehme ich den Bus in die ultimative Grossstadt: Mexico City.
Momentaufnahme Veracruz
Siesta am Zócalo
„Wiedergetroffen“

Beobachtet-gefühlt

Good ol’Mexico


“There are no foreign lands. It is the traveler only who is foreign.” – Robert Louis Stevenson

Cheers
Alex