Samstag, 24. Dezember 2011

Mehr Stadt und Meerstadt – statt mehr Zeit

[Mexiko Stadt – Teotihuacán – Acapulco – Puerto Escondido]
Ich geniesse das Busfahren durch Mexiko. Nicht unbedingt wegen der Landschaft, denn diese ist fast überall gleich öde: entweder Palmen, grüne Büsche und sonstiges Gestrüpp, oder heruntergekommene und in der Zeit stehengebliebene Örtchen mit VW Käfern, mobilen Taco-Ständen und vielen Coca-Cola Werbungen. Auch mag ich das Busfahren nicht besonders wegen der Topes aka Bumpers, die manchmal alle hundert Meter den (meist rasenden) Bus fast zu einem Vollstopp bringen. Viel mehr liebe ich den Komfort (On-board WC für alle Fälle, Klimaanlage, bequeme Sitze), das aus dem Fenster träumen, Musik hören, auf meinem Laptop einen Film schauen oder einfach mal ein paar Stunden fokussierte Gedanken haben und zur Ruhe (und doch vorwärts) zu kommen. Es lebe das Reisen! Erholt komme ich am 24.11.11 nach 6h Quality-Bus-Time im zur Küste spürbar kühleren, ultimativen 21 Millionen-Metropole, Mexiko Stadt an und wundere mich noch, während ich mit Sack und Pack beladen in der Schlange ca. 1h auf ein Taxi warte, dass es hier so frisch nach Blumenwiese riecht… Bis ich herausfinde, dass es mein Axe Duschgel ist, der in der Seitentasche des Rucksacks ausgelaufen ist. Shit happens.:-)
Im Hostel Amigos eingecheckt, steigt die Party bereits am ersten Abend in der Hostelbar, wo ich Santiago aus den USA kennen lerne und wir Pläne für den 25.11.11 schmieden… Uns ist am Morgen zwar noch nicht so ganz nach Sightseeing, doch langsam tauen wir auf, als der Tourbus vom Hostel beim ersten Stopp, dem Tlatelolco hält. Hier am Plaza de las tres culturas ist die Fusion sichtbar: Prä-hispanische Aztekenruinen treffen auf die im 17-jahrundert durch die spanischen Eroberer erbaute Kirche „Templo de Santiago“ (notabene frech mit Steinen der Aztekenpyramide) vor einer Kulisse der heutigen mexikanischen Stadtkultur. Die nächste Station ist  die Basílica de Guadaloupe, eine Kirche  die zur Ehren von Mexiko’s Schutzpatronin Guadaloupe um 1700 gebaut wurde, heutzutage aber, wie der Turm von Pisa, ziemlich schief in der Landschaft steht. Das kommt daher, dass Mexiko Stadt auf einem trockengelegten See erbaut ist und ganze Stadtteile allmählich im unsicheren Erdboden versinken. Folglich stehen auch weitere, alte Gebäude (vornehmlich Kirchen) von Mexiko Stadt in teilweise kritischer Schieflage. So musste in den 70er Jahren eine neue, absturzsichere, runde Kirche her. Diese ist „etwas“ grösser und fasst über 40‘000 Gottessuchende. In diesem Jahr wurde ein dritter, noch modernerer Gottesbau auf den Platz geknallt. Der Komplex der überwältigenden Pyramiden Teotihuacán ist unser letzter Halt. Ich bin erstaunt mit welchen ausgeklügelten technischen Mitteln (und  ausgebeuteten sklavischen Kräften) diese Anlage erbaut werden musste. 150m lang und 46m hoch resp. 222m lang und 65m hoch thronen Mond- und Sonnenpyramide in der Anlage, mit logischem Schema, exakter Ausrichtung zu den übrigen, kleineren Bauten und sogar eingebettet in die Silhouette der umliegenden Hügelzüge. Ein Ort, der mich vor Staunen aus dem Atem bringt, genauso wie das Besteigen der hohen Stufen (und fast einen Oberschenkelkrampf beim Heruntersteigen).
Kirchen: Bunkerlook und Pisaträchtig
Tlatelolco – wer sieht 3 Kulturen?
Der Herrscher spricht zu seiner Schaar
Gut lachen: vor der Sonnenpyramide
Per U-Bahn und Taxi geht’s am Abend mit Santiago und Tamar aus Israel zum Six Flags Freizeitpark; aber nicht für Zuckerwatte und Achterbahn, sondern für den Auftritt des Deutschen DJ-Urgestein Paul Van Dyk. Der Abend verläuft, wie die Komparation eines Adjektivs: Glücklich: Genau sieben Tickets sind noch verfügbar, als wir zur Kasse kommen. Glücklicher: Als wir die Arena betreten spielt der Pre-act just den Klassiker Barber’s Adagio for Strings. Am Glücklichsten: Nach dem Kauf eines Langarm T-Shirts (hätte ich gewusst, dass es draussen ist, wäre ich nicht nur im T-Shirt gekommen), einem Rum+Coke (…what else?) und dem Opening von Paul Van Dyk (für Kenner: For an Angel), ist der Abend perfekt. Filigrane Mixes, eine kurze Dubstep Einlage und ein weiteres Brett „Nothing but You“ sind meine persönlichen Highlights.
Noch etwas kühl mit kurzen Ärmeln…
…Longsleeve Shirt: Unsere beste Investition
Alle erwarten Paul van Dyk…
…put your hands up!
Ich kämpfe mich am nächsten Morgen durch die zähflüssige Samstags-nachmittags-Menschenmasse des Zócalos, vorbei an Strassenverkäufern, die wild durcheinander schreiend ihren Kitsch feil bieten, während Arbeiter der Stadt hoch oben über den Platz die Beleuchtung des überdimensionalen Weihnachtsbaumes montieren. Bei den aztekischen Tänzern, die inmitten der Menge ihr eigenes Ding durchziehen, bleibe ich stehen und schaue einen Moment zu. In Schlangenhaut und Federn gekleidet hüpfen und hopsen sie zu Trommelmusik; daneben ein Guru der Touristen in Copal-Rauch hüllt, um ihren Geist und Körper zu reinigen. In der Catedral Metropolitana finde ich etwas Ruhe vom Wirrwarr, bevor’s wieder raus geht, um das umliegende Centro Histórico zu erkunden. Plötzlich sehe ich einen Mann mit blutverschmiertem Mund. Ich muss wohl falsch gesehen haben. Doch dann erblicke ich eine bleiche Frau mit Platzwunde im Gesicht und zerrissenem Gewand. Immer mehr Zombies tauchen auf und schleppen sich von allen Richtungen kommend langsam Richtung Zócalo, wo eine Versammlung der Untoten stattfindet.  Fast 10‘000 Verkleidete nehmen am Zombiewalk teil, mit dem gemeinsamen Ziel: Guinness-Buch der Rekorde.
Spirituelle Reinigung


Zombies tauchen auf..

..lechzend nach Blut
Ein ganz normaler Zócalo?
Wären da nicht die Zombies!

Am 27.11.11 ist ein grauer und kalter Tag, daher nehme ich mit Tamar den bequemen Touribus, um möglichst viel von der grossen Stadt zu sehen. Sobald ich den Überblick gewonnen und die Highlights von Mexiko City gesehen habe, wage ich am 28.11.11 einen Fussmarsch durch den gigantischen Markt nordöstlich des Zócalos, entlang der poschen Strasse Paseo de la Reforma in die aufregende Zona Rosa, die seit den 60er Jahren ihre besten Zeiten aber hinter sich hat. Mexiko Stadt ist so gross und bietet enorm viel, dass sogar die Bewohner noch bei weitem nicht alles gesehen haben können. Also wird auch mir in der kurzen Zeit (langsam rennt mir die Zeit davon, denn am 14.12. muss ich wieder in Cancún sein) nur ein kleiner, aber sehr vielfältiger Einblick gewährt… $
Mexiko+der Tod


Auf dem Markt

Snack gefällig?

Als Kontrast zur Grossstadt mache ich am 29.11.11 mit Tamar einen Ausflug nach Xochimilco. Per Metro und Zug gelangen wir zu den „floating garden“, ein Überbleibsel aus der Prä-hispanischen Zeit, ganz in den Süden von Mexiko City. Wir mieten uns eine der farbigen jinera (Gondeln) und lassen uns gemütlich für eine Stunde durch die Gewässer schiffen. Erholung pur! Am Abend ist Lucha Libre in der Arena Mexico angesagt, wo Charakteren, wie La Masca, Rush, Angel de Oro und El Terrible in einer eher lachhaften Wrestlingshow ihre Moves zum Besten geben. Der Heldenkampf wird in Masken ausgetragen, die den jeweiligen Charakter des Kämpfers widerspiegeln und meistens gewinnen die guten Jungs gegen die Bösen (die versuchen die zu Regeln brechen). Nicht selten werden die Böslinge über den Ring geworfen und der Kampf ungehindert in der ersten Reihe des Publikums fortgesetzt. Einmal landet sogar ein schweissgebadeter Pantomime-Kämpfer auf dem adrett gekleideten Publikum. Am meisten gefallen mir aber die lasziven Nummerngirls.:-) Selbstverständlich habe ich am Ende des Kampfes eine zu meinem Camaro passende Lucha Libre Maske erstanden!
Mit Tamar auf der Gondel..
..in den Gewässern von Xochimilco
Chillende Jungs…
…und chillender Hund
Eins auf die Fresse beim Lucha Libre..
..mit meiner Maske schlag ich zurück!
Und dann am 30.11.11 gehts auf nach Acapulco. Eine Stadt am Pazifik, die man gesehen haben muss egal, was andere Reisende erzählen, oder Loneley Planet über „Danger&Annoyances“ warnt (…unprecedented level of violence…rival cartels battle for the area’s lucrative drug corridor…things being stolen from hotel rooms and at the beach…corrupt police…taxi drivers with bad intentions…). Nach 5h Busfahrt, einem Movie, einer Mütze Schlaf und etwas im Loneley Planet geschnoiggt später komme ich an: Wärme, Strand und ein besonderer groove. Kein Wunder haben in den 50er Jahren Stars, wie Frank Sinatra, Elvis Presley oder Elizabeth Tylor hier aufgemischt. Doch vom Jet-set fame aus dieser Zeit ist nicht mehr viel übrig geblieben. Nichts desto trotz strahlt die Stadt noch immer ihren Charme aus. Hoch oben auf einem Hügel checke ich im Hotel La Torre Eiffel ein. Auf der einen Seite des Terrasse das ruhige Meer und der Mond, der langsam aufgeht auf der anderen Seite die Stadt mit ihren unendlichen Lichtern. Leise Musik vom Zócalo zeugt von Lebendigkeit, während eine frische Brise vom Meer her ein „Geniess dein Leben“ haucht. Ein Million Dollar place! Gemeinsam mit Alfred, einem Rentner aus den USA, der hier in Mexiko seine Pension verjubelt, kille ich ein paar Bierchen und geniesse die Atmosphäre. Am Morgen des 01.12.11 gehe ich im hügeligen Gebiet in der Morgenhitze und dem Gestank der unkatalysierten Autoabgase joggen. Keuchend komme ich zurück zum Hotel und lechze nach einer kalten Dusche. Acapulco ist bekannt für seine Klippentaucher von La Quebrada. Seit 1934 springen die mutigen Jungs von bis zu 35m hohen Klippen in die enge Meeresbucht – und gerade ebenso faszinierend ist auch, wie sie zuvor die steilen Klippen erklimmen. Wenn ich noch mehr Zeit gehabt hätte, wäre ich bestimmt noch ein paar Tage in Acapulco geblieben, doch ich habe noch eine lange Reise vor mir…
Mein Million Dollar View von der Hotelterrasse
Nach dem obligaten Berg- und Taljoggen am Morgen des 02.12.11, ist mal wieder 8h Busfahren angesagt, mit dem Ziel Sonnen-, Surf- und Partyperle der Pazifikküste: Puerto Escondido. Es wäre bestimmt eine erholsame wie actiongeladene Stadt am Meer, aber nach einem ausserordentlich leckeren Abendessen im El Jardín (Geheimtipp: Gado-Gado probieren) und einem fast-Party-exzess (ich höre in meiner Cabaña jeden beat, doch ich bleibe stark und montiere die Ohropax und wechsle in „sleep mode“), fröne ich am nächsten Tag bereits wieder meinem neuen Hobby: 7h Busfahrt (nach Oaxaca).
“Our battered suitcases were piled on the sidewalk again; we had longer ways to go. But no matter, the road is life.” – Jack Kerouac
Cheers
Alex

2 Kommentare:

  1. nothing but you - definitiv sein bester song!

    witerhin gueti reis!

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  2. @Egg-lee: Yeeah... schick der demnöchscht mitem ZHWSDS de geilscht Remix devo.:-) Thanks mate...

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