Samstag, 18. Juni 2011

Dubai – Not real!

Mein Weg nach Ecuador führt mich eher per Zufall über Dubai. An dem Tag, als ich meine Flüge buche, schreibt mir mein Freund CJ aus Schweden, den ich damals bei meinem EY New Horizons-Exchange in Stockholm kennen gelernt habe, dass er für drei Monate bei EY in Dubai arbeiten wird und ich ihn doch besuchen soll. Hmmmm… Dubai? Liegt auf dem Weg!:-)
Als ersten Eindruck habe ich einen Kulturschock. Aber einen Positiven. Nach „incredible India“ bin ich am 13.06.11 in „not real Dubai“ gelandet: Ein Land, das vor Ordnung und Sauberkeit strotzt (kein Gehupe, keine Kühe, alles hat eine Logik und man könnte sowohl in der Metro, als auch am Flughafen vom Boden Essen). Eine moderne, künstliche Sim City Stadt die trotzt Finanzkrise nach wie vor Wolkenkratzer baut, wie Pilze, die aus dem Boden spriessen (ein Mix aus New York und Disneyworld; die von Menschenhand geschaffenen Inseln nicht zu vergessen). Eine sehr internationale Bevölkerung, die nach Reichtum, Luxus und dem Grössten strebt (grösste Mall der Welt, grösstes Hochhaus der Welt und grösster Stromverbrauch der Welt). Leute, Dubai ist nicht real! Und ja, liebes Bolero, du trittst an Dubai die „residency of beautiful people“ ab!
Die Scheichs sind sogar auf Hochhäuser abgebildet
Yachthafen am JBR Strand

Ich residiere vier Nächte in CJ‘s – selbstverständlich luxuriösen – Business Hotel Apartment (2 Pools und Fitnesscenter inbegriffen). Das erste, was er mir erklärt ist, dass man hier in Dubai nicht zu Fuss geht, sondern Taxis benutzt. Das stimmt. Die etwas mehr besseren nehmen Taxis. Die Besten haben Autos: Jaguar, Maserati, Rolls Royce,… Ich als Backpacker reise jedoch mit der führerlosen Metro und zu Fuss. Und hier, liebe SBB trittst du an Dubai den Pünktlich-, Sauber- und Freundlichkeitsrang ab! Gottseidank ist in dieser Stadt alles klimatisiert. Anders würde man das heisse und feuchte Klima kaum überleben. So huscht man von der gekühlten Strassenüberführung in die nächste A/C temperierte Mall, den klimatisierten Bus oder in die kühle Eisdiele. Nur die armen indischen und pakistanischen Bauarbeiter schuften draussen in der Hitze und sorgen dafür, dass die Hochhauspilze spriessen.
Am 14.06.11, besuche ich die imposante Mall of Emirates, die als Highlight eine integrierte Skihalle hat und das luxuriöse Kempinski Hotel beherbergt. Klar, man will in Dubai ja auch Skifahren können – koste es, was es wolle. Am Nachmittag geht’s an den Strand – es ist heiss und das Wasser ist bisiwarm. Tags darauf, am 15.06.11 sieht das Programm ähnlich aus, nur dass ich die Reihenfolge umkehre: zuerst Strand, dann Mall (dieses Mal die weltgrösste „Dubai Mall“ mit Aquarium, Kunsteisbahn, Wassserfall, Armani Bar,…). Am Abend treffe ich mich mit CJ und seinen EY Arbeitskollegen zu Feierabenddrinks was schlussendlich mit „steil“ gehen ausartet.:-)
Die lokale Frauenmode ist ideal für die Skihalle

Wer sponsert wohl die Skihalle?

Famous Burj Al Arab with famous guys ;-)
Tägliches Schwimmen obligatorisch
So wird am dritten Tag, dem 16.06.11 ge-chilled (selbstverständlich am Strand). Am Abend besichtige ich den Burj Khalifa, das höchste Gebäude der Welt (828m), mit einem Aufzug, der mich mit 64km/h auf die Aussichtsplattform katapultiert. Die Aussicht ist atemberaubend. Die direkt darunter liegenden Fountain-Show kann ich sowohl von oben aus der Vogelperspektive, als auch später von unten aus der Froschperspektive geniessen. Liebes New York, du bist Shopping- und Lifestyleparadies. Doch wer noch einen Tick cooler sein will, geht nach Dubai. Somit trittst du deinen ganzen Fame an Dubai ab. Sorry!
Burj Kalhifa by day…
…by night…

…and on top!
Fountain Show von oben by day…
…und von unten by night

Für den vierten und letzten Tag, am 17.06.11 denken CJ und ich uns, während wir am Strand liegen, etwas ganz besonders aus (wofür wir vielleicht in die Hölle kommen, aber egal, den Spass war‘s wert).;-) Es gibt in Dubai ja diese künstliche Palmeninsel mit dem superedlen Atlantis Luxushotel. Selbstverständlich interessiert es auch einen bärtigen, unfrisierten und legère gekleideten Backpacker, wie mich, wie dieses Hotel von innen aussieht. Doch einem Nicht-Gast wird normalerweise der Zutritt verweigert. „Normalerweise“. CJ und ich nehmen uns jedoch ein edles Lexus Taxi mit der Destination Atlantis. Beim Zufahrtscheck gebe ich an, ich hätte eine Verabredung für die Vorbesprechung meiner Flitterwochen und prompt werden wir durch gewunken. Erste Hürde geschafft. Die zweite Hürde stellt sich bei der Rezeption, wo ich meinen Termin (den es ja nicht gibt) möglichst selbstsicher verklickern muss. Ich gebe an, ich sei für ein paar Tage in Dubai bei einem Freund, mit dem Zweck DIE perfekte Hotelsuite für meine bevorstehenden Flitterwochen im Oktober ausfindig zu machen. Noch glaubt der Rezeptionist zu Recht nicht, dass ich Geld habe und sagt mir, es sei gegenwärtig alles ausgebucht, ich könne die Zimmer jedoch im Internet anschauen. Ich aber setze einen drauf und sage, es sei schade, denn ich sei bereits im Kempinski Hotel gewesen. Die Suiten dort hätten mir aber nicht so gefallen (wer will schon in einer Mall seine Flitterwochen verbringen?) und meine zukünftige Frau möchte lieber auf der Palme residieren. Ich möchte die Räumlichkeiten aber unbedingt vorher sehen. Geld spiele keine Rolle. Als ich dann auch noch sage, ich bräuchte zusätzlich noch zwei Standard-Zimmer für unseren Make-up Artist und Stylist, ist plötzlich die Möglichkeit da ein Zimmer zu besichtigen. CJ und ich werden also in den 9. Stock hochgeführt, um eine Standard „Terrace“ Suite für stolze CHF 1‘000 pro Nacht (Wireless Internet sei gratis…ah, ok… dann geht’s ja noch mit dem Preis) zu besichtigen. Die 100m2-Suite hat einen riesigen Balkon, ein Ankleidezimmer, ein Badezimmer mit grosser freistehender Badewanne, zwei separate Klos und ein bequemes Kingsize Bett. Als wir wieder unten bei der Rezeption sind, gehe ich aufs Ganze und sage, dass meine Geliebte gerne ein Jacuzzi hätte. Ob es nicht noch bessere Suiten gäbe? Für 1‘250 ist auch dies möglich. Jedoch sei zurzeit keine solche „Regal“ Suite zur Besichtigung bereit. Ich frage, ob ich morgen vor meiner Abreise nochmals vorbei kommen könne und werfe nebenbei CJ die Frage zu, wann morgen mein privater Jet fliegen würde. Wie perfekt eingespielt, schaut er in seinem Blackberry nach und sagt mir 4 Uhr. Und schon verbiegt sich der Receptionist vor uns und sagt, ich brauche nicht morgen extra nochmals zu kommen, er könnte eine heute ausgecheckte Suite reinigen lassen. Wir sollen in 30min nochmals kommen. Derweil könnten wir uns in Ruhe den Rest der Hotelanlage anschauen. Gesagt getan. Wir besichtigen Beach und Pool, sowie Kinderparadies und In-house Shops, bevor wir eine weitere Tour in eine 164m2 grosse Suite – diesmal inkl. Jacuzzi ;-) – in der 14 Etage erhalten. Ich habe ja schon in etlichen Hotelzimmern gelebt, aber hier tritt sogar das Ritz Carlton in Berlin sämtlichen Luxus an Dubai Atlantis ab. Dennoch: Für eine Nacht könnte ich vier Jahre im Massenschlag in Kargil (Indien) übernachten! 
Bei jeder guten Idee ist Rum involviert!:-)
I’m on the Palm, Baby!
So relaxed, wie richtige Hotelgäste
Aussicht vom Hotelzimmer
Tataaa…hier ist die Badewanne…
Warum nicht das Jacuzzi probeliegen?
Nach diesem Abenteuer treffen wir uns mit zwei EY Arbeitskolleginnen von CJ zum libanesischen Abendessen. Danach heisst es für mich bereits Abschied nehmen von der glamourösen Stadt, denn meine Reise geht bereits am 18.06.11 um 01.45 am Morgen weiter via Frankfurt nach Ecuador. Eins steht allerdings fest: Auch nach fünf Tagen ist Dubai immer noch unreal für mich, doch würde es mich sehr reizen hier mal für ein Jahr zu arbeiten.
Farewell Dinner
 Eigentlich wollte ich in Dubai ja noch einen Lamborghini mieten und damit nach Abu Dhabi flitzen. Doch als ich sehe, dass ich mit dem Geld mehr als einen Monat in Indien leben könnte, stelle ich die Überlegung an, dass ich vielleicht doch nochmals nach Leh zurück will und somit meinen Trip einen Monat verlängern könnte. Zudem gehe ich ja auch noch in die von der Finanzkrise gepeinigten USA, wo solche Pläne eventuell etwas günstiger realisierbar sind? We’ll see…
“Like all great travelers, I have seen more than I remember, and remember more than I have seen.” – Benjamin Disraeli
Cheers
Alex
 

Donnerstag, 16. Juni 2011

Himalaya Reloaded

Eigentlich habe ich einen fix gebuchten Flug am  11.06.11 zurück nach Delhi, wo ich zwei Tage zur Erholung ;-) gehabt hätte, doch noch bevor irgendwelche Abschiedsgedanken an meine liebgewonnenen Reisegefährten aufkommen, soll es anders kommen…
Leh von oben
Leh von unten
Das ganze Reloaded-adventure beginnt am 09.06.11, als ich meine Mails nach den sechs Tagen Trekking checke. Jay, ein guter Freund aus der Schweiz, schickt mir eine Email: Er sei vor 10 Jahren in Leh gewesen und damals hier mit dem Bus ohne Hab+Gut angekommen, da er zuvor komplett ausgeraubt worden war. Eine gute Seele habe ihn aufgenommen und in der Küche seines Guesthouses (welches drei Zimmer hatte, die aber alle ausgebucht waren) für einige Tage logieren lassen. Leider habe er den Kontakt zu dieser Person verloren und sich nie dafür richtig bedanken können. Das Mail enthielt zudem ein vor 10 Jahren geknipstes Foto, das ebendiese gute Seele und andere Personen zeigt. Er nennt mir auch ein möglicher Name des damaligen Guesthouses, das er via Google Earth ausfindig gemacht hat. Mit der Bitte (falls ich Zeit und Lust hätte) mich auf ein Sherlok-Holmes-Abenteuer zu begeben und diese Person ausfindig zu machen, die ihn damals so herzlich aufgenommen hat, habe ich eine neue, verrückte Aufgabe gefasst. Ich setze es mir zum Ziel, diese zu lösen, bevor ich Leh verlasse.:-)
Die erste Fährte erhalte ich direkt im Internet Café. Zwar kennt niemand das Gesicht des jungen Mannes (wohlbemerkt, seither sind 10 Jahre vergangen), doch der Guesthouse-Name scheint bekannt. Gleich um die Ecke sei ein Trekking-Shop und der Besitzer dort kenne den Besitzer des besagten Guesthouses. Gesagt getan. Mit aufgeklapptem Laptop betrete ich den Shop, zeige das Foto und schildere mein Anliegen. Nun ist es so, dass die meisten einheimischen Leh-ianer äusserst hilfsbereit und freundlich sind. Anstatt mich fortzujagen, weil ich nicht nach Umsatz stinke, wird mir freundlich Tee angeboten und dann mein Anliegen diskutiert. Es werden Leute herbeigerufen und jeder will einen Blick auf meinen Laptop werfen. Leider kennt niemand den Jungen auf dem Bild. Die Fährte scheint im Sand zu verlaufen. Einziger Lichtblick: Der Guesthouse-Besitzer sei am Abend erreichbar, also verabreden wir uns auf später…
Als ich am Abend voller Spannung den Shop betrete, ahne ich noch nicht, dass sich im vorliegenden Fall schon bald eine Wende abzeichnen wird. Es geht Schlag auf Schlag: Der herbeigerufene Guesthouse-Besitzer weiss leider von nichts. Ich zeige das Bild erneut herum. Die Männer diskutieren in Ladakhi. Dann sagt der Besitzer ich solle mitkommen. Noch bevor ich meinen Laptop zuklappen kann, stehe ich alleine im Laden. Ich gehe raus auf die Strasse, schaue mich um, doch ich sehe niemanden mehr. Fünf Sekunden später kommt der Shop-Besitzer mit einem etwas konsterniert wirkenden Mann, den er aus einem anderen Trekking-Shop geholt hat, um die Ecke. Ich schildere ihm die Story, während sich beim angeschleppten Mann zusehends ein übereinstimmendes Lächeln auf dem Gesicht abzeichnet. Bingo, ich habe ihn gefunden! Miru ist sein Name. Er erinnert sich an die ganze Geschichte und hat grosse Freude, dass ich ihm den Dank und die Grüsse meines Freundes überbringe. Ich lade ihn zum Tee ein und wir verabreden uns zum Mittagessen am darauffolgenden Tag, dem 10.06.11. Das lustige ist, dass sich die ganze Story etwa in einem Dreieck (Internet Café - Trekking-Shop 1 – Trekking-Shop 2) von ca. 50m abgespielt hat.
Gesucht: Zweite Person von links
Gefunden: Zweite Person von links
Beim Lunch am nächsten Tag, wo ich Miru zum Dank ein nigel nagel neues Schweizer Sackmesser schenke, sind meine Reisegefährten Clara, John und Dekel dabei. Sie wollen sich die Story live anhören. Das Guesthouse sei mittlerweile ein Hotel mit 15 Zimmern; er selbst habe eine Travel Agency und eine Apotheke, wir seien herzlich zum Abendessen in seinem Hotel eingeladen. Wir reden über unsere Trekking Tour im Markah Valley und das im Norden liegende Nubra Valley, welches die anderen gerne noch besuchen würde. Miru erzählt von einer Bike-Tour, die sein Reisebüro anbietet, welche Transport auf den Pass und dann die jeweilige Downhill-Fahrt inkl. Übernachtung im Nubra Valley beinhaltet. Da mir nicht nach Abschied ist, versuche ich noch am selben Tag den morgigen Flug nach Delhi umzubuchen, um die sensationell klingende Downhill-Bike-Tour miterleben zu können.
Trotz grosszügiger Unterstützung von Miru und etlichen komplizierten Telefonaten mit „Go Air“, kann ich meinen Flug nicht direkt umbuchen. Ich muss am nächsten Morgen um 5Uhr (!) am Flughafen den Flug persönlich umbuchen. Indien, halt.:-) Das frühe Aufstehen nehme ich für die verlockende Bike-Tour aber dennoch in Kauf. Mit Erfolg! Ich kann den Flug auf den 13.06.11 verschieben, Kostenpunkt CHF 30. Abenteuer Himalaya Reloaded, ich bin ready!
So können wir zu Viert – die Mountain-Bikes auf dem Dach des Autos – am 11.06.11 am Vormittag Richtung Nubra Valley starten. Aber was wäre ein richtiges Abenteuer, wenn das Auto unterwegs nicht noch einen platten Reifen hätte – das kommt mir irgendwie bekannt vor.:-) Naja, solange wir sicher oben – und auch wieder unten ankommen ist mir alles egal (die Strasse zum höchsten befahrbaren Pass der Welt erinnert mich nämlich sehr stark an die Strecke Srinagar – Leh, inklusive den vielen Wracks, die wir sehen).
Ready für die Talfahrt auf 5602m Höhe
Nicht runterfallen! (c) by Dagi
Oben auf dem Pass angekommen beginnt die ca. dreistündige (!) Downhill-Bikefahrt ins Nubra Valley. Das erste Drittel ist mühsam und sturzanfällig, da die Strasse nicht geteert ist und unzählige Schlaglöcher und Wasserrinnen aufweist. Zweimal verliere ich fast den Lenkgriff, als ich meine etwas übersetzte Geschwindigkeit abrupt abbremsen muss. Bei mir endet sowas meist mit einem Armbruch – ich überstehe aber alles unversehrt!:-) Die letzten zwei Drittel sind schön geteert. Wir flitzen mit summenden Mountainbike-Rädern runter während sich die Berge langsam in den Abend hüllen. Die Gegend erinnert mich etwas an Süditalien. Plötzlich eröffnet sich aus der bergigen Wüstenlandschaft das flächenweise sehr grüne Nubra Tal mit einem Fluss, der sich durch die Gegend schlängelt. Herrlich!

Slow Drive Long Life :-)
Nubra Valley – Oase im Wüstental

Aussicht auf dem Autodach

Die Nacht verbringen wir in einem Guesthouse, wo wir mit jungen Ladakhis Hookah rauchen und nachher alle sehr gut Schlafen. Am nächsten Tag sind wir erholt und fit für den Zweiten Teil unseres Abenteuers. Zuerst besichtigen wir die Sanddünen im Tal und ein Mönchskloster in Diskit, bevor uns das Auto wieder auf den Pass bringt. Die Talfahrt nach Leh schaffen wir in etwa 1.5h. Das erste Drittel ist auch wieder etwas holprig und mühsam, der Rest ein herrliches Downhillerlebnis bei dem wir keinmal in die Pedale treten müssen!
Being Buddha

Clara-Alex-John@Verschnaufpause.in

Nun ist die Zeit gekommen, um „bye bye and see you again“ zu sagen. Als Farewell-Dinner gibt’s Pizza und Bier in unserer Lieblings Pizzeria „Il Forno“. Während Clara + John mit dem Nachtbus nach Manali weiterreisen, Dekel sich auf ein weiteres Trekking Abenteuer zum Stok Kangri einlässt, heisst es für mich: Ab nach Dubaiiiii!
“A journey is like marriage. The certain way to be wrong is to think you control it.” – John Steinbeck
Cheers
Alex

Freitag, 10. Juni 2011

Abenteuer Himalaya

Ich habe mich mit Clara+John in Srinagar verabredet. Um Zeit zu sparen, fliege ich am 29.05.11 via Delhi nach Srinagar, das ganz im Nordwesten von Indien liegt und vom Auswärtigen Amt gegenwärtig vom Besuch abgeraten wird (die Unruhen im Kaschmir sind ja auch in unserem Breitengrad bekannt). Nerven spare ich überhaupt nicht bei dieser Reise, die ich eher als abenteuerliche Odyssee mit Prädikat „Kompliziert“ und „Hauptsache Drängeln“ bezeichnen würde:
Drängelnde Inder beim Einchecken und beim Security Check und dann sehe ich meinen Flug nirgends auf dem Bildschirm mit den Abflügen! OK, Alex ist alt genug, daher gehe ich zur Boardingtime an den Flugschalter, wo ich erst nach mehrmaligem Nachfragen erfahre, dass zwei Flüge zusammengelegt werden und ich daher erst in zwei Stunden fliege. Vorahnung: Das mit dem Anschlussflug in Delhi könnte knapp werden. Für die ganzen Abklärungen muss ich natürlich aus der Security-Zone raus+danach wieder durch die Kontrolle. Drängeln ist angesagt. Weshalb ich das Gepäck nicht direkt nach Srinagar einchecken kann, kann mir jedoch niemand erklären. Zum Gate soll ich bei „International Flights“ rein und nicht „Domestic Flights“, sagt mir eine Flughafenmitarbeiterin. Ist ja logisch, wenn ich innerhalb Indien fliege.;-) Anyway – etwa zehn Minuten vor Boardingtime werde ich persönlich von derselben Flughafenmitarbeiterin abgeholt, die mir sagt, es wären bereits alle Passagiere im Flugzeug und man warte nur noch auf mich (Nota bene: Zehn Minuten VOR Boardingtime). In Delhi angekommen suche ich verzweifelt das Gate G-1 für meinen Connecting-Flight. Noch habe ich ca. 1.2h Zeit bis zum Abflug. Ich frage etwa sechs Leute, keiner kann mir jedoch richtig Antwort geben. So langsam setzt sich das Puzzle aber zusammen: Der Connecting-Flight ist in einem anderen, etwa 10Autominuten entfernten Delhi-Flughafen. Ich müsse ein Taxi nehmen sagt mir eine Flughafenangestellte. Ein Bus fahre auch dort hin meint ein anderer, den ich frage. Als Connecting-Passagier könne ich gratis fahren. Derjenige, der das Bustransferticket ausstellt ist jedoch aufm Klo, sein Stellvertreter hat keine Ahnung und versteht kein Englisch. Die Zeit läuft… ich steige einfach so in den Bus ein. 25rp müsste ich für die Fahrt zum anderen Flughafen bezahlen (2.5x so viel, wie für die halbstündige Fahrt von Mcleod Ganj nach Dhramsala). Strategisch klug zahle ich mit einer 500rp-Note; natürlich kann der Kondukteur nicht herausgeben, also fahre ich schlussendlich gratis.:-) Beim Checkin und Security Check hats wieder masslos drängelnde Inder, mittlerweile weiss ich mir aber zu helfen: Einfach selber drängeln.:-) Schlussendlich schaffe ich knapp den Flug der „GO Air“, die mit dem Slogan wirbt: „Catch me if you can“. Für alle, die den Di Caprio-Film gesehen haben, wissen wovon ich rede…:-)
Zutreffendes Schild am Flughafen in Delhi
Der zweite Slogan lautet übrigens:
You can tell a lot about an airline
by its stairways
In Srinagar habe ich keine Zeit für Sightseeing. Dennoch gefällt mir die Himalaya-Stadt mit dem vielen Wasser und den Hausbooten. Ich treffe mich mit Clara+John, wo wir unsere Weiterreise nach Leh organisieren. Mit grossem Glück ergattern wir die letzten drei Plätze in einem privaten (penetrant nach Fisch stinkendem und natürlich laut Hindi Musik spielendem) Bus nach Kargil, das auf halbem Weg liegt – der reguläre Bus nach Leh ist ausgebucht. Die Fahrt nach Kargil am 30.05.11 ist mehr als ein Abenteuer! Mehrmals wird der Verkehr auf der kurvigen Bergstrecke angehalten, um die Strasse von Schnee+Geröll zu räumen. Noch nie in meinem Leben bin ich eine solch abenteuerliche Strecke gefahren… hier lasse ich am besten ein paar Bilder sprechen:
Zum Glück habe ich einen guten
Schutzengel bei mir...
Andere hatten weniger Glück

50cm vom Rad bis zum Abgrund
Mittags- und Pinkelpause
Cheers
In Kargil übernachten wir für 50rp pro Person (das ist ca. 1.- CHF – ein „häsch mer en Stutz für d’Notschlifi“ würde also ausreichen) in einem Massenschlag mit harten Pritschen, schnarchenden Inder und ekligem Plumpsklo. Beim Abendessen haben wir eine äusserst spannende Unterhaltung mit Mohammed Ali der uns über den Kaschmir-Konflikt, Weltreligionen und lokale Wunderheiler (sog. Arier) aufklärt (eigentlich wollten wir ja zu ihm ins Internet Café gehen, um Mails zu checken, doch die Unterhaltung ist so spannend, dass wir unser ursprüngliches Vorhaben ganz vergessen). Auch wieder per Zufall können wir die Weiterreise mit dem  regulären Bus organisieren, so dass wir schlussendlich am 31.05.11 im wunderschönen auf 3500m liegenden Leh ankommen.
Leh mit John, Clara, Steven
Leh(on) King

Die ersten drei Nächte verbringen wir im tollen Guesthouse „Julay“, wo wir jeden Morgen Tee serviert erhalten. Man munkelt, die nette, fürsorgliche Betreiberin sei ein lokaler Moviestar. Die Tage verbringen wir damit, unsere Trekking-Tour zu organisieren (und noch mehr Leute dafür zu motivieren), uns darauf vorzubereiten (3800m.ü.M.-Akklimatisierungs-Testlauf, North FAKE Trekking-Gear Einkaufen) und mit Leuten, die wir in Leh kennen gelernt haben Frühstück, Mittag oder Abend zu essen.
Am 03.06. geht das Abenteuer dann endlich los: 6 Tage Trekking im Markha Valley mit Koch, Guide, Zelt, 6 Tage nicht duschen und allem drum und dran. Mit von der Partie sind Clara (Argentinien) + John (Irland), das Pärchen, das ich schon vor zwei Wochen im Corbett National Park kennen gelernt habe, Stefan (Deutschland) + Carine (Frankreich), die miteinander Reisen, mein Zeltbuddy Dekel (Israel) und meine Wenigkeit.
Auf dem ersten Basecamp auf 4300m treffen wir auf Will (USA), der den Trek alleine machen will und wegen zu wenig Höhenakklimatisierungszeit fast aufgeben muss. Grossherzig nehmen wir ihn aber in unsere Gruppe auf und bieten ihm sowohl mentalen, als auch nahrungstechnischen Support (unser Koch ist Spitze!). Aber auch andere von unserer Gruppe leiden an Höhenkrankheit, die sich durch Kopfweh und Übelkeit bemerkbar macht. Die Nacht ist trotz meiner sexy Thermokleidung eisigkalt und ich mache fast kein Auge zu. So wache auch ich am nächsten Tag mit Kopfschmerzen auf. Toll!
Trekking Crew
Base Camp
Schleppend und nach Sauerstofflechzend erklimmen wir den ersten Pass (4950m). Die tolle Aussicht kompensiert jedoch sämtliche Strapazen. Die folgenden drei Tage im Markha Tal sind im Vergleich zum Pass entspannter, dennoch fordernd und super erlebnisreich: Staub, Steine, unterschiedlichste Geländearten, schöne Aussichten, Überqueren von Flüssen (teils barfuss), gemütliche Zeltplätze, Blase am Fuss, Trek-schmek, gute Unterhaltungen, erstklassiges Camping-Essen, Schneefall, Hitze, Hagel, vom Unwetter vor einem Jahr zerstörte Wege, Zeit für eigene Gedanken, winzige Dörfer, Mönchskloster, freundliche Leute, gemütliches Chillen im Zelt nach einem langen Wandertag… Zum Glück habe ich mich mittlerweile an das harte Nachtlager gewöhnt und etwas tiefer ist die nächtliche Kälte auch nicht mehr so eisig – ich schlafe mehr oder weniger gut.
On the Top
Wärmender Tee im Zelt
  
Nach 3 Tagen endlich mal ein Goggi
Chillen im Zelt bei Schnee+Kälte


Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich die Höhe nicht merke. Die Luft ist dünn, die Atmung fällt schwer und ab und zu machen sich Kopfschmerzen bemerkbar. Doch geht es mir zum Glück noch immer besser als anderen, die mit Übelkeit und Magenproblemen kämpfen. Am letzten Tag brechen wir nach einem reichhaltigen Frühstück etwas früher auf für den letzten Pass auf 5150m. Motiviert durch die schon fast sichtbare Zielgerade und die Freude am Gipfel nehmen wir die letzte Hürde. Wieder zurück auf 3730m, nach ca. 100km Trekking, wartet ein Minibus auf uns, der uns zufrieden, müde und ungeduscht nach Leh zurück bringt. Aber was wäre ein richtiges Abenteuer, wenn der Bus unterwegs nicht noch einen platten Reifen hätte.:-)
Das “Matterhorn” weckt Heimatgefühle…
…dabei ist es 100% Himalaya!
Here is the Baer!
On the Top: Five Kay

“The best thing of trekking is the feeling afterwards and all the good memories – and of course a hot shower!” – John MacMahon
Alex
PS: Ich habe noch ein Restposten an Postkarten und Marken. Die ersten zehn, die mir eine Mail mit ihrer Adresse an alex.baer(at)gmx.ch schicken, werden Post erhalten.:-)

Mittwoch, 1. Juni 2011

Ein Hauch von Schweiz, Tibet und Pakistan

Am 21.05.11 fahre ich mit dem Bus in das vom Schweizer Architekten Le Corbusier in den 60er Jahren entworfene Chandigarh. Ganz à-typisch Indien liegt dieser Stadt eine gewisse Planung zu Grunde. Sie ist schachbrettartig gestaltet und hat viel „gepflegte“ Grünflächen, breite Strassen und ein paar architektonisch interessante Gebäude und Monumente (zur Abwechslung mal keine Forts, Moscheen oder Tempel). Fakt ist, ich fühle mich wohl hier.
 Highlights von Chandigarh sind der Rock Garden (Park mit kurrligen Figuren+Mosaiken aus Steinen, alten Teller und sonstigem Abfall), der Rose Garden (zwar sind die Rosen etwas heruntergekommen, tragen aber amüsante Namen, wie „Lagerfeld“, „Bed Queen“ oder „You Only“) und das chillige Naherholungsgebiet um den künstlichen See Sukhna Lake (die Promenade erinnert etwas an Lugano). So absolviere ich am 22.05.11 ein Hardcore Sightseeing Programm  mit all den Krönungen der Stadt. Leider findet die Sound&Light Show im Architektur Museum wegen „technical problems“ nicht statt, aber wir sind ja hier nicht in der Schweiz, sondern in Indien.:-)
Auch mit Mosaiken…
…kann man Spass haben :-)

People are strange…
Now where is the baer?!

Chandigarh – a piece of Switzerland
High five mit der perspektivisch
kleinen Open Hand Skulptur

Seit etwa 3 Monaten habe ich meine Haare nicht mehr geschnitten und seit ca. 5 Wochen meinen Bart nicht mehr rasiert – Ferien halt.:-) Ein paar Freunde haben mich bereits liebevoll darauf hingewiesen, mein Äusseres „endlich wieder zu pflegen“ und ich werde auch des Öfteren von indischen Haarstudios zu einem „Cheap haircut, my friend“ eingeladen. Noch finde ich aber mein Reiseoutlook ganz ok. Ein Ding aus Chandigarh, das ich nicht vergessen werde, ist meine Passfoto-Session, die ich bei verschiedenen Fotostudios mache: Meine Haarlänge erlaubt nun verschiedene Frisuren-Stile, die ich an einem Abend ausprobiere (z.B. luftgetrocknet-normal, mit Gel brav zur Seite gelegt oder machomässig nach hinten geschleimt). Der Receptionist in der Hotelloby fragt sich bestimmt ab mir, weil ich innerhalb einer Stunde mit verschiedenen Frisuren aus dem Hotel laufe, um jeweils nach ca. 10 min wieder zurück zu kommen und mit neuer Frisur wieder raus zu gehen.
Vier gewinnt…

Am 24.05.11 mache ich mich mit dem Bus auf nach Dharamsala, respektive Mcleod Ganj, dem tibetanische Exil und der Homebase des Dalai Lama. Hier treffe ich die amerikanischen Studentinnen aus Delhi und per Zufall auch wieder ein Pärchen (Clara+John), welches ich bereits in Ramnagar kennen gelernt habe (mit den beiden will ich übrigens in Leh auf eine 5-tägige Wandertour gehen). Man reist wirklich nie lange alleine.
Das Klima auf ca. 2‘000m.ü.M ist sehr angenehm (tagsüber warm, am Abend lau) und es stört mich überhaupt nicht, dass es ab und zu regnet. Aber auch sonst ist das Bergdorf Mcleod Ganj entspannt und hat einen Tick mehr Liebe zum Detail, als der Rest von Indien – man merkt definitiv den tibetanischen Einfluss. Es gibt viele Touristen (ok, etwas zu viele Hippies für meinen Geschmack), gemütliche Kaffees und coole Bars. Sightseeing-mässig besichtige ich Dalai Lama’s Tsuglagkhang Complex (inkl. Kora: Man geht im Uhrzeigersinn um den Tempel) und wandere zum Bhagsu-Wasserfall. That’s it. Den Rest der drei Tage nehme ich gemütlich, plane meine Weiterreise oder treffe mich mit den Amis auf ein Kingfisher oder „Vino Tinto“. Obwohl Dalai Lama gegenwärtig „in town“ ist gewähre ich seinem coolen Vorbild aus der Schweiz ;-) kein „meet, bless&greet“, mein Kalender ist einfach zu voll!:-) Spass beiseite – ich kriege den Lama leider nicht zu Gesicht, dafür schenkt mir Alissa, der mit ihrer „Auf-Spuren-des-Dalai-Lama-Klasse“ eine Audienz gewährt wurde, ein von ihm gesegneten Glücksbringer.

Mit Alissa, Shauna und dem dicken
weissen Hasen in der Hookah Bar

AusFLUG zum Wasserfall

Dalai Lama’s way to happieness
Sonnenuntergang in “Little Tibet”
Am 28.05.11 nehme ich bereits um 04.00 Uhr den Bus Richtung Amritsar. Angesichts der frühen Morgenstunde schlafe ich im Hup-Holper-Klapperbus während der 7h Fahrt „perfekt“, eingeklemmt im Indersandwich (ich bin’s mir ja mittlerweile gewohnt…). Und schon bin ich in Amritsar, der Stadt des Goldenen Tempels. Zurück in einer lauten Grossstadt, zurück in der drückenden Hitze.
Voller Motivation besichtige ich den grössten Sikh-Tempel der Welt, der – ach du Schreck – dieselbe schröckliche Gebetsmusik über Boxen abspielt, wie damals der Tempel an meinem Hangover-Tag in Delhi. Die riesige Anlage mit weissen Marmorböden, dem heiligen Bassin in der Mitte, dem darin schwimmenden goldenen Tempel und den abertausenden von Pilger sind sehr eindrücklich. Fast unglaublich ist, dass man in der Tempelanlage (als Pilger, oder auch als Tourist) gratis übernachtet und sich gratis verköstigen kann (Täglich werden an Pilger und Touristen ca. 60‘000-80‘000 Mahlzeiten ausgegeben). Tja, Mr. Mankiw: There IS such thing as a free lunch! Ich stehe aber im Hotel, dort gibt’s Air Condition, keine Gebetsmusik und ich muss nicht dauernd so ne dämliche Kopfbedeckung tragen.:-)
Auch beim Golden Tempel habe
ich Freunde…
…egal, ob tagsüber oder nachts.:-)

Nahtlos im Anschluss an den Tempel, besichtige ich die täglich durchgeführte Flaggeneinzugszeremonie an der Grenze zwischen Indien und Pakistan. Viele Indische Touristen kommen zu diesem Spektakel. Kaum wedle ich hier etwas mit dem Schweizer Pass in der Gegend herum, werde ich äusserst zuvorkommend behandelt: Ein Soldat winkt mich elegant zur Seite, um das drängelnde, indische „Fussvolk“ zu überholen. Per VIP-Seiteneingang erreiche ich komfortabel die Foreigners Gallery, die erstklassige Sicht bietet und noch vor der VIP-, Women Only- und Indian-„Fussvolk“-Sektion ist. Endlich fühle ich mich etwas kompensiert für die tausenden male, wo ich hier in Indien als weisser Tourist über’s Ohr gehauen wurde!
Zuerst gibt es laute Punjab-Musik, wo Inderinnen aus dem Publikum  unter tosendem Beifall der Menge (animiert durch einen MC) mit wehender indischer Flagge gegen das geschlossene Grenztor rennen und anschliessend tanzen. Auch auf der pakistanischen Seite gibt’s Musik und Entertainment. Die Militärische Zeremonie (die sowohl auf der Pakistanischen, als auch auf der Indischen Seite durchgeführt wird) erinnert mehr an einen lächerlichen Cartoon, als an Demonstration von militärischer Stärke. Im Stechschritt marschieren lustig uniformierte Soldaten gegen das Grenztor, parieren und zeigen, wie erhaben sie sind. Durch den MC angefeuert ruft das Publikum Parolen – die Stimmung ist etwa einem FC Basel und FC Zürich Match gleichzusetzen, nur der Ball und das Bier fehlen. Dann wird das Grenztor geöffnet und die Flaggen der beiden Rivalen synchron eingezogen und nochmals voreinander pariert und gemessen, wer seine Beine höher nach oben schwingen kann.;-)
Privilegierte Plätze für „Foreigners“
Dämliche Show der Rivalen


„When you travel, remember that a foreign country is not designed to make you comfortable. It is designed to make its own people comfortable.”  – Clifton Fadiman
Alex
Cheers