Freitag, 10. Juni 2011

Abenteuer Himalaya

Ich habe mich mit Clara+John in Srinagar verabredet. Um Zeit zu sparen, fliege ich am 29.05.11 via Delhi nach Srinagar, das ganz im Nordwesten von Indien liegt und vom Auswärtigen Amt gegenwärtig vom Besuch abgeraten wird (die Unruhen im Kaschmir sind ja auch in unserem Breitengrad bekannt). Nerven spare ich überhaupt nicht bei dieser Reise, die ich eher als abenteuerliche Odyssee mit Prädikat „Kompliziert“ und „Hauptsache Drängeln“ bezeichnen würde:
Drängelnde Inder beim Einchecken und beim Security Check und dann sehe ich meinen Flug nirgends auf dem Bildschirm mit den Abflügen! OK, Alex ist alt genug, daher gehe ich zur Boardingtime an den Flugschalter, wo ich erst nach mehrmaligem Nachfragen erfahre, dass zwei Flüge zusammengelegt werden und ich daher erst in zwei Stunden fliege. Vorahnung: Das mit dem Anschlussflug in Delhi könnte knapp werden. Für die ganzen Abklärungen muss ich natürlich aus der Security-Zone raus+danach wieder durch die Kontrolle. Drängeln ist angesagt. Weshalb ich das Gepäck nicht direkt nach Srinagar einchecken kann, kann mir jedoch niemand erklären. Zum Gate soll ich bei „International Flights“ rein und nicht „Domestic Flights“, sagt mir eine Flughafenmitarbeiterin. Ist ja logisch, wenn ich innerhalb Indien fliege.;-) Anyway – etwa zehn Minuten vor Boardingtime werde ich persönlich von derselben Flughafenmitarbeiterin abgeholt, die mir sagt, es wären bereits alle Passagiere im Flugzeug und man warte nur noch auf mich (Nota bene: Zehn Minuten VOR Boardingtime). In Delhi angekommen suche ich verzweifelt das Gate G-1 für meinen Connecting-Flight. Noch habe ich ca. 1.2h Zeit bis zum Abflug. Ich frage etwa sechs Leute, keiner kann mir jedoch richtig Antwort geben. So langsam setzt sich das Puzzle aber zusammen: Der Connecting-Flight ist in einem anderen, etwa 10Autominuten entfernten Delhi-Flughafen. Ich müsse ein Taxi nehmen sagt mir eine Flughafenangestellte. Ein Bus fahre auch dort hin meint ein anderer, den ich frage. Als Connecting-Passagier könne ich gratis fahren. Derjenige, der das Bustransferticket ausstellt ist jedoch aufm Klo, sein Stellvertreter hat keine Ahnung und versteht kein Englisch. Die Zeit läuft… ich steige einfach so in den Bus ein. 25rp müsste ich für die Fahrt zum anderen Flughafen bezahlen (2.5x so viel, wie für die halbstündige Fahrt von Mcleod Ganj nach Dhramsala). Strategisch klug zahle ich mit einer 500rp-Note; natürlich kann der Kondukteur nicht herausgeben, also fahre ich schlussendlich gratis.:-) Beim Checkin und Security Check hats wieder masslos drängelnde Inder, mittlerweile weiss ich mir aber zu helfen: Einfach selber drängeln.:-) Schlussendlich schaffe ich knapp den Flug der „GO Air“, die mit dem Slogan wirbt: „Catch me if you can“. Für alle, die den Di Caprio-Film gesehen haben, wissen wovon ich rede…:-)
Zutreffendes Schild am Flughafen in Delhi
Der zweite Slogan lautet übrigens:
You can tell a lot about an airline
by its stairways
In Srinagar habe ich keine Zeit für Sightseeing. Dennoch gefällt mir die Himalaya-Stadt mit dem vielen Wasser und den Hausbooten. Ich treffe mich mit Clara+John, wo wir unsere Weiterreise nach Leh organisieren. Mit grossem Glück ergattern wir die letzten drei Plätze in einem privaten (penetrant nach Fisch stinkendem und natürlich laut Hindi Musik spielendem) Bus nach Kargil, das auf halbem Weg liegt – der reguläre Bus nach Leh ist ausgebucht. Die Fahrt nach Kargil am 30.05.11 ist mehr als ein Abenteuer! Mehrmals wird der Verkehr auf der kurvigen Bergstrecke angehalten, um die Strasse von Schnee+Geröll zu räumen. Noch nie in meinem Leben bin ich eine solch abenteuerliche Strecke gefahren… hier lasse ich am besten ein paar Bilder sprechen:
Zum Glück habe ich einen guten
Schutzengel bei mir...
Andere hatten weniger Glück

50cm vom Rad bis zum Abgrund
Mittags- und Pinkelpause
Cheers
In Kargil übernachten wir für 50rp pro Person (das ist ca. 1.- CHF – ein „häsch mer en Stutz für d’Notschlifi“ würde also ausreichen) in einem Massenschlag mit harten Pritschen, schnarchenden Inder und ekligem Plumpsklo. Beim Abendessen haben wir eine äusserst spannende Unterhaltung mit Mohammed Ali der uns über den Kaschmir-Konflikt, Weltreligionen und lokale Wunderheiler (sog. Arier) aufklärt (eigentlich wollten wir ja zu ihm ins Internet Café gehen, um Mails zu checken, doch die Unterhaltung ist so spannend, dass wir unser ursprüngliches Vorhaben ganz vergessen). Auch wieder per Zufall können wir die Weiterreise mit dem  regulären Bus organisieren, so dass wir schlussendlich am 31.05.11 im wunderschönen auf 3500m liegenden Leh ankommen.
Leh mit John, Clara, Steven
Leh(on) King

Die ersten drei Nächte verbringen wir im tollen Guesthouse „Julay“, wo wir jeden Morgen Tee serviert erhalten. Man munkelt, die nette, fürsorgliche Betreiberin sei ein lokaler Moviestar. Die Tage verbringen wir damit, unsere Trekking-Tour zu organisieren (und noch mehr Leute dafür zu motivieren), uns darauf vorzubereiten (3800m.ü.M.-Akklimatisierungs-Testlauf, North FAKE Trekking-Gear Einkaufen) und mit Leuten, die wir in Leh kennen gelernt haben Frühstück, Mittag oder Abend zu essen.
Am 03.06. geht das Abenteuer dann endlich los: 6 Tage Trekking im Markha Valley mit Koch, Guide, Zelt, 6 Tage nicht duschen und allem drum und dran. Mit von der Partie sind Clara (Argentinien) + John (Irland), das Pärchen, das ich schon vor zwei Wochen im Corbett National Park kennen gelernt habe, Stefan (Deutschland) + Carine (Frankreich), die miteinander Reisen, mein Zeltbuddy Dekel (Israel) und meine Wenigkeit.
Auf dem ersten Basecamp auf 4300m treffen wir auf Will (USA), der den Trek alleine machen will und wegen zu wenig Höhenakklimatisierungszeit fast aufgeben muss. Grossherzig nehmen wir ihn aber in unsere Gruppe auf und bieten ihm sowohl mentalen, als auch nahrungstechnischen Support (unser Koch ist Spitze!). Aber auch andere von unserer Gruppe leiden an Höhenkrankheit, die sich durch Kopfweh und Übelkeit bemerkbar macht. Die Nacht ist trotz meiner sexy Thermokleidung eisigkalt und ich mache fast kein Auge zu. So wache auch ich am nächsten Tag mit Kopfschmerzen auf. Toll!
Trekking Crew
Base Camp
Schleppend und nach Sauerstofflechzend erklimmen wir den ersten Pass (4950m). Die tolle Aussicht kompensiert jedoch sämtliche Strapazen. Die folgenden drei Tage im Markha Tal sind im Vergleich zum Pass entspannter, dennoch fordernd und super erlebnisreich: Staub, Steine, unterschiedlichste Geländearten, schöne Aussichten, Überqueren von Flüssen (teils barfuss), gemütliche Zeltplätze, Blase am Fuss, Trek-schmek, gute Unterhaltungen, erstklassiges Camping-Essen, Schneefall, Hitze, Hagel, vom Unwetter vor einem Jahr zerstörte Wege, Zeit für eigene Gedanken, winzige Dörfer, Mönchskloster, freundliche Leute, gemütliches Chillen im Zelt nach einem langen Wandertag… Zum Glück habe ich mich mittlerweile an das harte Nachtlager gewöhnt und etwas tiefer ist die nächtliche Kälte auch nicht mehr so eisig – ich schlafe mehr oder weniger gut.
On the Top
Wärmender Tee im Zelt
  
Nach 3 Tagen endlich mal ein Goggi
Chillen im Zelt bei Schnee+Kälte


Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich die Höhe nicht merke. Die Luft ist dünn, die Atmung fällt schwer und ab und zu machen sich Kopfschmerzen bemerkbar. Doch geht es mir zum Glück noch immer besser als anderen, die mit Übelkeit und Magenproblemen kämpfen. Am letzten Tag brechen wir nach einem reichhaltigen Frühstück etwas früher auf für den letzten Pass auf 5150m. Motiviert durch die schon fast sichtbare Zielgerade und die Freude am Gipfel nehmen wir die letzte Hürde. Wieder zurück auf 3730m, nach ca. 100km Trekking, wartet ein Minibus auf uns, der uns zufrieden, müde und ungeduscht nach Leh zurück bringt. Aber was wäre ein richtiges Abenteuer, wenn der Bus unterwegs nicht noch einen platten Reifen hätte.:-)
Das “Matterhorn” weckt Heimatgefühle…
…dabei ist es 100% Himalaya!
Here is the Baer!
On the Top: Five Kay

“The best thing of trekking is the feeling afterwards and all the good memories – and of course a hot shower!” – John MacMahon
Alex
PS: Ich habe noch ein Restposten an Postkarten und Marken. Die ersten zehn, die mir eine Mail mit ihrer Adresse an alex.baer(at)gmx.ch schicken, werden Post erhalten.:-)

2 Kommentare:

  1. wow, dä stüde "häsch mer än stutz" chänt da go wohne, dänn muässter nöd dä ganz tag bättle sondern chänt dä ganz tag dröhnt im himalaya chille.

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  2. @Rocc: Es isch aber no verdammt schwierig doet obe guete Stoff ufztriibe... das waer wieder es Gaegeargument... hmmm....

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