Montag, 27. August 2012

Von Berber Creeks, Bullriding Cowboys und Beautiful Cities

[Greenwood – Nelson – Creston – Glacier Nationalpark USA – Waterton – Calgary Stampede – Vancouver – Zürich]

Nach der illegalen Nacht auf dem traumhaften Lookout point in Osoyoos, wo wir einmal mehr zu Gunsten unseres Patriotismus unsere Schweizer Flaggen vom Mobile Home hereingenommen haben (so wie wir’s halt immer machen, wenn wir uns im Graubereich bewegen), fahren wir am 07.08.12 voller Tatendrang weiter östlich, entlang der Amerikanischen Grenze. Wir stellen immer wieder fest, dass die Landschaft hier in Kanada sehr mit der Schweiz zu vergleichen ist. Mal ähnlich wie in Pontresina (bei den Rockies), mal erinnert es uns an den Walensee (Slocan Lake) und grad jetzt könnten wir in Arosa sein (man google Crowsnest Hwy 3). Die kleinen Dörfchen dazwischen zeigen uns dann aber immer wieder, dass wir eben doch im Wilden Westen sind. So zum Beispiel in Greenwood, wo wir anhalten und in einem richtigen Saloon Fries&Coke essen (obwohl unser Kühlschrank im Mobile Home noch zum bersten voll ist). In einem Local Cowboyshop unterwegs kaufen wir uns als Andenken einen Bear Mace gegen Bären (jetzt wo es eigentlich schon zu spät ist, da wir keine Bären mehr erwarten) ganz nach dem Motto: Die Harten Typen kaufen sich den defense aerosol eben nur als Souvenir! Als wir auf dem Weg Richtung Slocan Lake keinen Campingplatz finden, fahren wir zurück nach Nelson. „A funky mix of hippies, characters, creative types and rugged individualists“ kündet Lonely Planet das knapp 10’000 Nasen grosse Städtchen an. Wir erhoffen natürlich in Jutensäcke gekleidete, barfüssige, ungewaschene Rastafaris und Blumenmädchen mit Haaren unter den Achseln und farbigen, bauchfreien Batikshirts zu sehen… um in die Realität zurück zu kehren: Wir begegnen nur ein paar alternativ gekleidete Gestalten und klatschen natürlich bei jedem ab, der uns über den Weg läuft. Da wir beide schon in Indien waren, kann man uns in Sachen „Hippie“ nicht mehr viel vormachen. Die weitaus grösseren Hippies sind die vielen Autostöppler, die auf umliegenden Früchtefarmen arbeiten und per Anhalter mitfahren wollen. Teils sogar ohne T-Shirt (leider nur die Typen) – aber wer will schon solch verschwitzte Männertorsos auf seinem Autositz befördern? Was denken sich die eigentlich?:-) Nelson wäre zweifelsohne schön gewesen, aber hier ist leider der Camping überfüllt, daher fahren wir mit gesenkten Köpfen weiter Richtung Creston. Beim schön am See gelegenen Kokanee Creek Provincial Park Campground finden wir eine gemütliche Bleibe. Hier können wir Kameras laden (ein Cabaret, bis wir endlich Strom haben), Kochen (natürlich wiedermal mit Rauchmelder, den wir gekonnt mit Jay’s Haarföhn mit frischer Luft anblasen, und somit taktisch ausschalten), dumpen (problemlos – einlagiges Klopapier rulez) und am nächsten Tag sogar ein Backyard-Fitnesstraining absolvieren (angenehm, wenn man mit seinem Personal Trainer reist).
Tischlein deck dich! Frühstück im Paradies
Mace in ya Face


Cowboys on the road..
…3000km durch Kanada

Die Grenzüberquerung auf der 93er in die USA am späten Nachmittag des 08.07.12 geht nach einer laaaaaanger Fahrt (inkl. Fähre-fahren, Bär im Gebüsch, von Lehrlingen geteerte Strassen, Siegi’s Dubstepgrooves und Tee&Kuchen-Pausen) zum Glück ohne Problem. 100m vor der Grenze entfernen wir sicherheitshalber sämtliche Gadgets, wie Flaggen und DLI&GLI Schilder. Der Zöllner witzelt mit uns, stellt die üblichen doofen Fragen, während uns zig Kameras der Homeland Security mustern und wir müssen die restlichen Limetten und Pfirsiche aus unserem Kühlschrank abgeben. Kämen wir von Mexiko her in die USA, hätte das Prozedere wohl anders ausgesehen. Shoppen, Schmausen + Schmieren… Zur Feier des Tages nächtigen wir in Whitefish auf einem tataaaaaaaa… Safeway Parkplatz. Safeway ist das etwas gehobenere Pendent zum Walmart. Ein schöner, heisser Tag erwartet uns, als wir am 09.07.12 zum Glacier Nationalpark aufbrechen und unterwegs der heimischen Spezialität „Huckelberry-Pie“ verfallen. Leider dürfen wir mit unserem (zu langen) RV-Penthouse nicht die idyllische Going-to-the-Sun Road durch den Park fahren, heuchelt der senile Parkranger an der Pforte mit einem seiner wohl letzten Atemzüge. Auch der etwas grün hinter den Ohren gefärbte Highschool-Summerworker im Informationszentrum ist uns keine grosse Hilfe, als wir nach Campingplatz und Definitely-Must-See-Sehenswürdigkeiten fragen. So verlölen wir wegen der schlechten Info etwa 2h mit Campingplatzsuche (wobei Jay durchaus gekonnt mit unserem Monster RV durch einen äusserst engen, eigentlich nur für Autos mit Zelt bestimmten Zeltplatz kurvt), bis wir schlussendlich wieder am Apgar Campground beim Lake McDonald, nahe des Informationszentrum landen. Mit dem Gratis-Shuttle machen wir uns sogleich auf zum Logan Pass. Bis dahin sehen wir noch nicht viel vom wunderschönen Park, denn wir verschlafen die Passfahrt, bis der Fahrer laut „look the Mountain-goats“ ruft und Jay noch völlig perplex vom Schlafen anstatt der Tiere, wie wild den dahinterliegenden Berg fotografiert.:-) Auf dem Pass wird uns dann erstmals bewusst, dass dies einer der schönsten, wenn nicht der schönste Nationalpark ist, den wir je gesehen haben. Dichte Wälder, weitläufige Täler, wilde Bäche, schroffe, gletschergeformte Bergspitzen, Schneebedeckte Hänge, klare Seen… und ja ok, jede Menge Touristen. Der Hidden Lake Trail bringt uns in eine märchenhafte Schneelandschaft, noch näher an Mountain-goats heran und offenbart uns wunderschöne Aussichten. Der anschliessende Hike zum Saint Mary Wasserfall führt uns durch Wälder mit Faunenallüre und tosenden Flüssen mit nymphischer Gischt. Müde und mit etwas Sonnen-overkill nehmen wir den Bus zurück zu unserem Camp und lassen den Abend mit Grill + Chill ausklingen, während wir vom Nachbarcamper ganz Naturbuben-unfreundlich mit den neusten Hits von Kate Perry beschallt werden.
Morgenstimmung am Lake McDonald
Das versprochene Brokeback Mountain Foto
Baer@Work 
Jay erwischt
dann doch
 noch die
Mountain-goat
Paradise
Glacier Nationalpark


Schabernack auf dem Hidden Lake Trail
Grill&Chill&Lightshow auf dem Camping
Viiiiiel zu kurz ist ein Tag im Glacier Nationalpark, doch die Zeit drängt am 10.07.12 bereits wieder, wollen wir doch noch die kanadische Seite sehen und dafür müssen wir rund 300km um den grossen Park auf die Ostseite nach Waterton fahren . Selbstverständlich decken wir uns für die gute Laune beim Souvenir Krömliladen mit T-Shirts, Huckelberry Produkten und wer-weiss-was-sonst-noch ein. Die bergige Schweizeralpenlandschaft verändert sich erst zu grasigen Hügeln und später zu einer garstigen Steppe. Selbstverständlich wollen wir den angegebenen Scenic Drive machen und interpretieren das Schild mit dem Verbot für über 21 Feet lange Fahrzeuge (wir sind 26+ Feet) wie folgt: „Jaja, das ist wohl für die Going-to-the-Sun Road, die vom Osten her durch den Nationalpark führt.“ Beinahe endet unsere kleine Detour in einer Katastrophe (und Heidi hätte uns bestimmt jegliche Versicherungsleistungen gestrichen), denn die steile, kurvige, schlechte Strasse ist mit Schlaglöchern und Bodenwellen übersät, so dass wir nur noch langsam fahren können (Schweizer Flaggen sind selbstverständlich entfernt). Beim anschliessenden Fotoshooting mit der Warntafel am Ende der Strasse werden wir noch von einem Ranger angehupt und angeschnauzt: „What are you doin‘ in the middle of the road!?“. Dafür ist die Grenzüberquerung nach Kanada noch einfacher, als erwartet. Nicht mal nach unseren im Müll versteckten Früchten wird gefahndet. In Waterton angekommen, fühlen wir uns von der Gegend her wieder zurück in den Hochalpen. Das Städtchen am Waterton Lake ist touristisch und schweineteuer. Nach dem ca. 30-minütigen Aufstieg des Bears Hump Trail geniessen wir die Aussicht auf Waterton und die schöne Abendstimmung. Da wir im Anschluss keinen Camping finden, beschliessen wir bis Calgary durchzufahren, wo wir am Morgen um ca. 2 Uhr schlaftrunken den nächstgelegenen Walmart anpeilen und – siehe da – etwa 8 andere „Graucamper“ mit ihren RVs antreffen. Nach einem Latenightsnack mit selbstverständlichem Rauchmelderkonzert fallen wir glücklich in einen Dornröschenschlaf, in Spannung, was uns morgen am Stampede Cowboyfestival erwarten wird…
Waaaas zu lange?:-)
Gesehen: Where’s the Bear?
Bear’s Hump trail und die Idylle von Waterton
Wir parken am 11.07.12 unser viel zu langes RV Penthouse auf einem zentral gelegenen Parkplatz direkt hinter dem HI Calgary City Centre Hostel (wo wir frech Dusche, Strom und Klo benutzen) und werfen uns umgehend in Jeans, karierte Hemden, montieren stolz unsere „ten gallon hats“ und die coolen Sonnenbrillen. Bei bestem Wetter ziehen die beiden Cowboys los ans 100 Jährige Stampede Cowboy Festival, die mit dem Slogan „The Greatest Outdoor Show on Earth“ wirbt. Es erwartet uns ein Jahrmarkt, wie das Zürifäscht, einfach mit vielen Cowboyhüten und dem zeitweiligen Duft von Landwirtschaft in der Luft. Zu unserem Leid werden uns am Eingang unsere fein säuberlich präparierten Rum-Coke Mixes abgenommen. Bis in die Nacht hinein vergnügen wir uns bei Speis und Trank, Rodeo Show, Barrel Racing, Steer Wrestling, Bull Riding und Chuckwagon Race und geniessen die Cowboyatmosphäre. Uns wird eine der filigransten Shows geboten mit Artisten aus aller Welt, die Cirque du Soleil-mässige Akrobatik, Musikshows und Tanz bieten. Ein bombastisches Feuerwerk rundet den Abend ab. Am 12.07.12 müssen wir unser liebgewordenes Mobile Home an Heidi zurück geben und in voller Bezirztheit vergessen wir doch glatt unseren leckeren Huckelberry Pie im Kühlschrank! Hach, wie werden wir unser gediegenes Mobile Home und das „Hesch de Schlüssel, hesch bschlosse?“ vermissen… Später amüsieren wir uns abermals am weltbekannten Festival und während Jay sich nochmals die atemberaubende Show gönnt, besuche ich meine Cousine und Cousin auf ein BBQ. Frisch gestärkt mischen wir später cowboymässig bis in die frühen Morgenstunden das Calgary-sche Nachtleben (und später noch in Eigenregime unser Zimmer im HI Hostel) auf. Nach nicht mal 30 Minuten „Schlaf“ kommt unser Taxi und fährt uns beschwipst, übernächtigt und durchgezecht zum Flughafen. Die nette Dame beim Einchecken muss Freude und zugleich Mitleid mit uns gehabt haben, denn sie gewährt uns ein Fast-check-in beim Business-Schalter (obwohl ich nur gefragt habe, ob wir unseren durch das exzessive Shoppen zum Übergepäck gewordenen Ballast kurz wägen könnten) und lässt in Sachen Gewicht fünf gerade sein. Prompt hat sie uns auch noch die Notausgangssitze für mehr Beinfreiheit und ein wenig Nachschlafen zugeteilt. Noch bevor wir abheben, schlafen wir ein – werden aber jäh geweckt, als die Stewardess uns reglementkonform fragt, ob wir im Stande sind bei einem Notfall die Notausgänge zu bedienen. Unsere unter Schlaftrunkenheit und Restalkohol gemachte Zustimmung ist faktisch eine Lüge in sich. Zu allem, was wir jetzt noch in der Lage sind, ist nämlich Schlafen!
Cowboys&Mobile Ranch
100 Years of Stampede and a :-)
Joining my Canadian Family
Cowgirls watch the action…
Cowboys watch the action…
Wir treffen Maskottchen Harry the Horse…
…und Abendstar Sophia Hamrell
Rodeo Programm: Saddle Bronc…
..und Steer Wrestling Championship
Chuckwagon Race
Abendfüllendes Programm
Atemberaubendes Feuerwerk
Cowboys auf Abwegen :-)
Wir gönnen uns eine Nacht im edlen The Sutton Palace Hotel, wo wir bereits am Morgen unsere 2-Zimmer Suite beziehen und ausgiebig nachschlafen können. Das Vancouver Nachmittagswetter ist perfekt für eine ausgedehnte Fahrradtour im Stanleypark und die Besichtigung des Hafens. Am Abend treffen wir Jay’s Schwager und den Captain, die uns am 15.07.12 zurück in die Schweiz fliegen werden zum Dinner. Jegliche Bemühungen an diesem Abend auszugehen scheitern an unserer etwas angeschlagenen Steilgeh-Ausdauer. So auch am 14.07.12.:-p Während dem Tag heissts shoppen (bzw. Windowshoppen, da unsere Koffer bereits massives Übergewicht haben), Blog nachführen, Chillen und (unserem eh schon krass überschrittenen Budget zuliebe) Unterkunftswechsel. Die letzte Nacht verbringen wir noch im wesentlich günstigeren Samesun Backpackers, wo uns – yepeee – ein Zweierzimmer offeriert wird. Bevor wir unsere 7-Hundert Sachen packen, machen wir am 15.07.12 einen Abstecher nach Granville Island mit spontaner Besichtigung eines waterfront Condo’s, das für Kaufinteressenten open house hat. Hier spielen wir mal wieder über unsere Liga hinaus.:-) Nach den 3 Tagen Big City sind wir uns einig: Vancouver ist eine wunderschöne, saubere Stadt mit den vielen Grünflächen, coolen Shops, einladenden Cafés und Restaurtants, dem Hafen und der Wasserfront und einem Kaleidoskop von verschiedenen, weltoffenen Leuten. Zusammen mit der Crew werden wir zum Flughafen chauffiert und ich werde von Jay’s Schwager eingeladen den Start der Maschine im Cockpit live mitzuerleben. Was für ein Erlebnis! Beim bilderbuchartigen Sonnenuntergang rollen wir auf die Startbahn und heben sanft in den Abendhimmel ab. Schon bald nachdem mich die Maitre de Cabine mit Snacks und einem Goggi versorgt hat, tauchen unter uns die unzähligen Lichter von Calgary auf, während sich das Firmament von Dunkelviolett in Schwarz hüllt und sich die Piloten auf einen ruhigen Rückflug vorbereiten. Zurück in der Kabine nach dem Abendessen, tauche ich in eine Art endlosen, unbequemen Wachschlaf, bis mich die Stewardess für die Landung wieder ins Cockpit einlädt. Zum ersten Mal in meinem Leben erlebe ich die Ankunft in der Schweiz hautnah, während mir der Copilot die Alpen, den Rhein und die Städte zeigt. Nach ein paar Kurven erblicke ich weit vorne die Landebahn und eben so sanft, wie beim Start setzen wir in der Heimat auf…
L’art cycling 
Indian Art
Streetart
5***** Hotelspass
Thumbs up im Cockpit
Kitschiger geht’s nicht
Anflug auf die Heimat…
 Mit der Landung geht eine grosse Reise zu Ende, die mit dem glamourösen abenteuerlichen und unvergesslichen und  Showdown in Kanada geendet hat und mit einer Resozialisierung (…die dann „schon irgendwie klappen wird“), Jobsuche und einem Friseurbesuch beginnt. Trotz dem kurzen Zwischenstopp in der Schweiz von letztem Monat, werde ich wohl noch einige Zeit brauchen, bis ich all die Eindrücke verarbeitet, all meine Freunde besucht und meinen fixen Platz in der Gesellschaft wieder gefunden habe…

„Chom mer choched öppis: Stasch du an Herd und ich an Füralarm und blas“ – Szene beim Kochen im Mobile Home
Cheers
Alex