Freitag, 2. Dezember 2011

Zurück in der Grossstadt: Krach, Kitsch und Käferalarm

[Mérida – Uxmal – Campeche – Villahermosa – Veracruz]
Wie heisst es so schön: Man soll den Teufel nicht an die Wand malen. Es scheint, je mehr ich über meinen nassgewordenen Rucksack blogge, desto öfters passiert es. So selbstverständlich auch auf der 6h Busfahrt nach Mérida. Der heftige Platzregen kurz vor Ankunft hat irgendwie den Weg ins Gepäckfach zu meinem Rucksack gefunden. Selbstredend wird nur mein Backpack nass und ich kann wiedermal Kleider trocknen… Der grössere Schock kommt aber noch: Die Grossstadt! Obwohl Mérida nur 780‘000 Einwohner zählt, fühle ich mich nach den zwei Wochen im Paradies, wie ein Bündner Bergbauer am Zürifäscht. Ich bin mir den Lärm, die vielen Leute, das Durcheinander und vor allem den Verkehr nicht mehr gewöhnt. Auf dem Weg zum Hostel Casa Nico werde ich ein paar Mal fast Opfer eines rasenden Busses oder hupenden Taxis. „Adee merci“…Paradies einfach – oder vielleicht auch die Hölle, wegen Dubai’s Hotelschwindel von annodazumal.:-) Nun, soweit kommt es zum Glück nicht. Ich stosse lediglich ein paar Mal fast den Kopf an den tief gesteckten Stangen der Vordächer der Früchte-Allerlei-Kitschwaren-Shops, die sich offensichtlich an der durchschnittlichen Mexikanergrösse und nicht am Backpacker Baer orientieren.
Mérida ist eine geschäftige, laute, verpestete und heruntergekommene Stadt mit engen Strassenkluften, die den Krach des Verkehrslärms wie ein perfekt funktionierender Röhrerverstärker mindestens um das Doppelte amplifieren. Umso mehr ist der Plaza Grande im Zentrum eine Oase mit seinen gemütlichen Sitzbänken, schattenspendenden Bäumen und lockenden Strassencafés rundherum. Gemeinsam mit Sabine und Marco, die mit mir aus Holbox gekommen sind, erkundige ich die Stadt. Am Abend gehen wir zum Parque de Santa Lucia, wo gratis heimische Musik und Tanz geboten wird. Auch nachts bleibt mein sensibles Ohr vom Lärm leider nicht verschont, denn mein Zimmer  ist direkt an der Kreuzung einer vielbefahrenen Strasse die mich – im Gegensatz zum Meeresrauschen von Holbox – nicht grad in den Schlaf wiegelt.
Blick auf den Zócalo
Mérida schwingt das Tanzbein
Am Morgen des 18.11.11 nutzen wir ein weiteres Gratisangebot der Stadt: Free guided walking tour of the historic center. Der fachkundige Guide Victor Hugo erläutert uns die Geschichten zu den nahmhaften Gebäuden rund um den Plaza Grande. Im Sightseeingrausch buche ich anschliessend eine Tour zu den Tempeln von Uxmal inklusive Dinner und Sound+Light show. Die Mayaruinen sind imposant, das Buffet mässig und das Licht der nächtlichen Show in keinem logischen Einklang mit den theatralischen Geschichten über die Götter, die Wasserknappheit der Mayakommune und die Herrschertochter, die mit einem König verheiratet werden soll, aber einen anderen liebt. Inmitten der Ruinen treffe ich auf Nailea Norvind, ein mexikanischer Film- und Soapstar, die mir wärmstens das Maissorbet Champola de Elote von der Eisdiele Helados Colón in Mérida empfiehlt und gerne vor den Kameras der Touristen posiert.
Victor’s Sightseeing mit Marco+Sabine
Eindrückliche Tempelanlage in Uxmal

Meet&Greet mit Nailea
Relikt des Mesoamerikanischen Ballspiels

Die Show bringt versteckte Schlange ans Licht

Tortilla geflällig?
Am nächsten Tag koste ich das exquisite Maissorbet zum Frühstück. Es schmeckt enttäuschend unterdurchschnittlich, genau, wie der Rest der mexikanischen Küche. Nach diesem Erlebnis besteige ich zusammen mit Marco den Bus nach Campeche, wo wir nach 5h Fahrt ankommen. Campeches Innenstadt hat perfekt renovierte, in allen pastellfarben bepinselte Häuserreihen, einen einladenden Plaza Principal, einen aufgepeppten Malecón (Promenade am Meer) und einen frenetischen Markt, der definitiv ein Besuch wert ist! Sabine, die wir in unserem Hostel La Parroquia wieder treffen schlägt vor, dass wir am Abend des 19.11.11 eine lokale Tanzaufführung besuchen, die gratis ist. Die lokale Ballettschule präsentiert in einem Bouquet von farbenfroher Kleidung ihre jährliche Performance. Das ist der schöne Teil. Der desolate Teil hingegen, sind die übersteuerten Boxen, die viel zu laut haarsträubende Klaviermusik plärren und dem Ganzen einen schrecklich-kitschigen Ton verpassen. Aber auch sonst scheinen die Mexikaner auf minderwertigen Kitsch zu stehen. Da findet am selben Abend ein Weihnachtsmarkt statt, wo Ramsch und Klimbim feil geboten wird (inklusive einer weiteren kitschigen Weihnachts-tanzshow), nahe des Zócalos gibt es eine Aufführung mit einem abgeschmackten Clown auf der Bühne (was aber-so scheint es-die Masse amüsiert) und sämtliche bis jetzt in Mexiko gesehenen Strassenstände verkaufen im wahrsten Sinne des Wortes billige Artikel (von Armanifake-Portemonnaie bis Zahnbürsten-SpongeBob).
Farbenfrohes Ballett
Farbenfrohes Campeche
Kathedrale am Zócalo
Historische Innenstadt by night
Die Nacht auf den 20.11.11 wird durch eine Mückeninvasion und viel Lärm von umliegenden Festivitäten wieder mal zu einer ungemütlichen Erholung. Um frisch zu werden, brauche ich erst mal ein Goggi und erkunde dann den geschäftigen Markt mit vielfarbigen Früchten und Gemüse, frischem Fisch und Fleisch, einer kleinen Zooabteilung, wundervollen Blumen, eklig riechendem Essen und viel, viel mehr Ramsch (wie wärs mit einer blinkenden Weihnachtskette, die eine Melodie dudelt?). Danach suche ich den Bus für meine Weiterreise, der mich nach 7h inkl. Reifenpanne nach Villlahermosa bringt. Es ist zu spät für Sightseeing (es gibt auch nicht viel zu sehen hier) und am nächsten Morgen besteige ich bereits wieder einen Bus und komme nach 8h Fahrt in (as funky as Mexico can get) Veracruz an.
Geschäftiges Treiben am Markt
..wie wärs mit ner Wüstenspringmaus?
Käferalarm! Was im Balkan der BMW ist, scheint hier in Mexiko der „Vocho“, der VW Käfer zu sein. Dereinst in Herden in Mexiko hergestellt gibt es heute noch unzählige Ersatzteile und auf Kugelporsche spezialisierte mecánico automóvil. Somit hat das Gefährt, das von 1964-2003 in Mexiko hergestellt wurde, noch lange nicht auskutschiert. Fazit: In jeder mexikanischen Stadt verpesten die historischen Karrossen in Scharen die Luft mit ihrem süsslichen CO2-geladenen Abgas – so auch in der Hafenstadt Veracruz.
Verschiedenste Variationen…

…von VW Käfern, manchmal…
…zu verlottert zum selber starten…

…aber definitiv Familienstolz!
Hier ich bleibe für drei Nächte im Hotel Villa Rica, direkt am Meer, respektive am vielbefahrenen Boulevard Camacho. Selbstverständlich hat auch diese Stadt einen zentralen Platz, den sogenannten Zócalo, dessen Lebhaftigkeit gegen Abend immer mehr zunimmt. Während der beiden Tage gehe ich am Morgen jeweils am Strandboulevard joggen. Ich bin nicht der einzige, der früh am Morgen an der abgasgeschwängerten Meeresluft am Strand Sport macht: eine Horde Zumbatanzender Hausfrauen jubeln und winken mir zu, als ich an ihnen vorbeirenne. Auf dem Rückweg, sichtlich ausgebrannt und nach einem Gatorade lechzend, sehe ich doch tatsächlich noch ein bekanntes Gesicht: Nailea Norvind lächelt mir von einem Werbeplakat entgegen. Den Rest der Tage erkundige ich die Stadt, sitze in Strassencafes und beobachte die Leute oder chille am Pier und schaue den grossen Frachtschiffen zu, die im Hafen einlaufen. Am 24.11.11 nehme ich den Bus in die ultimative Grossstadt: Mexico City.
Momentaufnahme Veracruz
Siesta am Zócalo
„Wiedergetroffen“

Beobachtet-gefühlt

Good ol’Mexico


“There are no foreign lands. It is the traveler only who is foreign.” – Robert Louis Stevenson

Cheers
Alex 

2 Kommentare:

  1. auf den ersten moment dachte ich, du selbst hättest nailea norvind zu einer mollywood-schauspielerin gekürt...aber diesen verdacht hat google-search beseitigt! haha ;) have fun, your turkish princess

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  2. @Turkish Princess: Vielleicht können wir ihr ja ne Rolle in "Sprung ins Glück 2" besorgen? Wann findet das Casting statt? Baci, Kalif Alexoglou

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