Samstag, 5. Mai 2012

Hexen, Geisterschiffe und Gnomen in Chile


[Castro – Puerto Varas – Santiago de Chile 1]

Wir schreiben den 14.04.12. Will und ich kommen nach einer gemütlichen Busfahrt durch die regnerische Gegend von „Norte Chico“ nach einer sanften Überfahrt mit der (yepee) WIFI-bestückten Autofähre auf die „Isla Grande de Chiloé“, der  zweitgrössten Insel in Südamerika, in Castro an (Tipp von Elena und David). Lonely Planet schwafelt etwas von „culture that is based on a distinctive mythology of witchcraft, ghost ships and forest gnomes“. Mal schauen…

Wenn man auf der Insel Chiloé nur eine Stadt besuchen soll, dann ist es Castro. Sie beherbergt nämlich alle Idiosynkrasien und Attraktionen des hiesigen Breitengrades: mildes (wechselhaftes) Klima, drittälteste (permanent bewohnte) Stadt Chiles, prächtige Holzkirchen (UNESCO Weltkulturerbe) und Palafitos (bunte Pfahlbauten-Häuser der Fischer an der Küste). Gerne hätten Will und ich die versprochenen Hexen, Geisterschiffe und Gnome im benachbarten Nationalpark Chiloé mit eigenen Augen gesehen, doch das Wetter macht uns einen Strich durch die Rechnung. Die erste Nacht verbringen wir in einer schäbigen Unterkunft mit noch schmutzigerem Klo (so eklig, dass wir weder duschen, noch sonst ein Geschäft erledigen). Daher beschliessen wir am 15.04.12 umzuziehen und folgen dem Ruf des Lonely Planets, wo wir uns im „Hospedaje Mirador“ für nur etwas mehr Geld mehr Sauberkeit (blitzblankes Klo) und mehr Komfort (Küche zum benutzen) leisten. Im Anschluss besichtigen wir die Stelzenhäuser (Glück, wir erwischen ein Moment, wo die Sonne scheint) und die Holzkirche „Iglesia de San Francisco“ auf dem Plaza de Armas (innendrin ist alles aus Holz getäfert). Dann wird das Wetter zusehends schlechter und wir beschliessen, wenns um 14 Uhr bewölkt ist, den Nationalpark auszulassen und dafür den Rest des Tages im Zimmer zu chillen. Dem ist dann auch so… Zum Wetter in Castro möchte ich noch folgendes bemerken: Total wechselhaft, meistens auf der einen Seite des Himmels bewölkt und auf der anderen Sonnig oder vice versa. 
Stelzenhäuser von Castro als Graffiti…
…und in real Life!
Mal schauen, ob wir die ominösen Xanthippen-Schemen-Kobolde (=Hexen-Geister-Gnome) eventuell auf dem Festland finden. Darum fahren wir am 16.04.12 von Castro zurück nach Puerto Montt und von dort nochmals 25 Minuten nach Puerto Varas, in eine grad ganz andere Welt mit ihrem charmanten Lago Llanquihue, dem pro-touristischen Setup und der freundlichen Atmosphäre. Die sogenannte Rosenstadt ist Ausgangspunkt für Ausflüge um den Llanquihue-See und zu den Vulkanen Osorno und Calbuco.  Zuerst machen wir eine self-guided Citytour durch die Stadt, wo Deutsches Kulturerbe (Häuser von Deutschen Einwanderer aus dem frühen 20. Jahrhundert) und neuzeitige chilenische Kunst (das verrückte Pablo Fierro Muesum mit Kunst und Krempel) und Kultur (Rosengärten, Kleinstadtleben) nebeneinhergehen. Diesmal ist es Will, der sagt, als wir an der Küste entlang laufen:“Ich war zwar noch nie im germanischen Europa, aber so stelle ich mir das etwa vor“. Ja, die Umgebung hat etwas. Nicht zu vergessen sind die Strassenhunde, welche sich entweder vor vorbeifahrende Autos stellen, waghalsig erst in letzter Sekunde wegspringen und ganz wild hinterherrennen und –bellen. Als zweiten Spass folgen sie den Touristen und hoffen auf einen Snack oder eine Pose auf dem Urlaubsfoto (wohl eher das Erstere).  Tags darauf geht unser Nachtbus von Puerto Montt nach Santiago. Wir haben aber noch perfekt Zeit, um die Tour zum Vulkan Osorno zu machen. Als wir jedoch aus dem Fenster schauen und Regen sehen, beschliessen wir uns einmal mehr fürs Chillen und ich habe Zeit, meine Weiterreise zu planen. Da dies heute meine wohl letze längere Busfahrt auf der Reise ist, beschliesse ich nochmals Super-dooper-cama mit waagerechtem Schlafkomfort zu lösen. Der Preis liegt über Will’s Reisebudget, darum zahle ich ihm den Aufpreis für den tiefen Schlaf.
Puerto Varas Stadttour Schnappschuss...
…und Deutsches Kuschel Haus :-)

Farbenfrohes Ufer von Puerto Varas…
..und was ich euch schon immer sagen wollte
Museum vom Künstler Pablo Fierro…
…und die beiden mehr- oder weniger Künstler
Santiago ist weit entfernt von mythischem Gedönse, daher muss ich den sagenhaften Blogtitel leider entschärfen (aber jetzt seid ihr ja eh fast am Ende und könnt drum auch grad noch fertig lesen).:-) Dafür ist der Vibe dieser Stadt top – nicht nur, weil uns der herbstlich-sonnig-warme Morgen des 18.04.12 empfängt. Auch wenn Santiago schlechtere Luft, als Buenos Aires hat, weniger Abwechslung, als Mexiko Stadt bietet, nicht so Pura Vida, wie San José ist und keine Küste, wie Lima aufweist kann die Stadt mich schon von Anfang an von ihrer Grossartigkeit überzeugen. Zuerst das heitere Wetter, dann mit  unserem Hostel Plaza de Armas, das sauber und preiswert ist und direkt über dem Plaza de Armas, dem pulsierenden Herzstück der Stadt liegt. Obendrauf gibt’s noch eine Free City Tour, die jeden Tag um 10 Uhr auf dem Plaza de Armas startet – passt zeitlich perfekt. Die vierstündige Tour bringt uns durch die Viertel Downtown, Lastarria und Bellavista…und halt… ist das nicht Krushi aus England, den ich am 21.03.12 in Puerto Madryn im Hostel kennen gelernt habe… in der Tat! So trifft man sich wieder… Franco, unser Tourguide erzählt uns viele informative und lustige Geschichten über Santiago. Zum Beispiel, dass die Strassenhunde hier allen gehören und eine gewisse Prozentzahl der Steuern für deren Unterhalt verwendet wird und sie im Winter von den Leuten manchmal T-Shirts und Mäntel angezogen bekommen. Am Nachmittag gönnen wir uns ein weiteres Highlight von Santiago: „Café con piernas“ übersetzt „Kaffee mit Beinen“! Um in den 90er Jahren den Kaffeekonsum anzukurbeln wurden Kaffeebaren geschaffen, wo ausschliesslich Frauen in Bikini und Strings den Espresso servieren (kein Alkohol, sondern lediglich günstigen Espresso…tsss…wer geht denn schon zu Starbucks?!) Hat man Glück, erwischt man die „Happy Minute“, wo dreimal am Tag die Türen abgeschlossen werden und eine 1-minütige Strip-Show geboten wird. Guess what?! Nein, Krushi und ich kommen leider nicht in den Genuss eines Strips, sondern wir diskutieren bei einem Kaffee zwischen Geschäftsleuten und braven Touristen unsere berufliche Zukunft nach der Reise.
Ausblick auf den Plaza de Armas von der Hostel Terrasse
Impressionen…
…City Tour…
…Santiago
Free Tour Nuts4Nuts Story*
Eins mit Sahne, Will und Krushi
Coffee with Legs (verdunkelt)…
…hier die Soft-Version
Zum Farewell-dinner gehen Will, Krushi, Emma (aus Australien) und ich zur Feier des Tages auswärts Essen. Will bricht’s fast das Herz. Nicht, weil wir nach zwei Wochen gemeinsamem Reisen getrennte Wege gehen, sondern weil wir in einem chinesischen Restaurant einkehren. Seine Nudeln schlürft er nach heimischer Tradition mit Wohlgenuss und hängt mit Gedanken melancholisch in seiner Vaterland (er ist bereits seit 1.5 Jahren am Reisen). Die bestellte Flasche chilenischer Wein zum Spottpreis und lustige Spiele, die man aus dem Klassenlager kennt (nein, nicht Flaschendrehen), heitern den Abend aber schnell wieder auf und wir kommen auf die dumme Idee am Kiosk weitere Flaschen Wein zu kaufen und im Hostel sowas, wie Montagsmaler spielen. Gerade mal 1h habe ich geschlafen, als ich in der Ferne meinen Wecker klingeln höre, mit dem Gepäck zum Flughafentaxi torkle und mir wünschte, ich wäre gestern etwas gescheiter gewesen.:-)

Obwohl ich weder ein Anzeichen von grusligen Hexen, noch von verkappten Piraten auf Geisterschiffen gesehen habe, waren die vergangenen Tage ein entspanntes und interessantes Highlight auf meiner Reise. Mein Abenteuer geht am 19.04.12 weiter, auf die im Sinne von Mystik weitaus mehrversprechende Osterinsel…
“Your true traveler finds boredom rather agreeable than painful. It is the symbol of his liberty-his excessive freedom. He accepts his boredom, when it comes, not merely philosophically, but almost with pleasure.” – Aldous Huxley

 Cheers
Alex

*Vom Erdnussverkäufer zum Millionär, wenn ich richtig aufgepasst habe.:-)


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