Dienstag, 8. Mai 2012

Osterinsel – Picking up the Rapa Nui groove

[Osterinsel (Rapa Nui) 1]

Ich bin sicher, dass jedem, der den Titel „Osterinsel“ liest, zuerst die Steinköpfe aka „Moai“ in den Sinn kommen. Genau dies ist ein Punkt, den ich zumindest seit dem Level 3 „Easton Kingdom“, mit den rollenden Steinen und Moai, vom 1990 Super Mario Land auf dem Gameboy, auf meiner „Bucket List“ habe. Die knapp 4000 km vom Chilenischen Festland entfernte Vulkaninsel hat jedoch noch viel mehr zu bieten, als die merkwürdigen Skulpturen.
Ahu Tautira am Hafen von Hanga Roa
…ohne Worte…
Auf der Osterinsel, oder „Rapa Nui“, wie sie auf der Sprache der Ostereier, äh Rapanuii heisst, ist das Leben noch in Ordnung. Schnell habe ich die relaxte Lebensart, die Offenheit und das Lächeln der Insulaner angenommen. Dank einer gewissen Souveränität von Chile konnte der Vibe einer ozeanischen Pazifikinsel (wie Hawaii oder Fidschi) erhalten werden. Die Geschichte der Insel ist etwas tragischer. Zwischen 450-800 n.Chr. besiedelten die Polynesier die Insel und begannen irgendwann mit dem Errichten der gigantischen Moai, die aber bei blutigen Stammeskämpfen über Territorium und Ressourcen (es gab sogar Kannibalismus) im späten 17. Jahrhundert von ihren Ahu (zeremonie-Plattformen) gekippt wurden. Daher liegen viele der erodierenden Giganten heute auf dem Boden. Erster Kontakt mit Europäern war am Ostersonntag 1722, wo eine Holländische Expedition unter Admiral Jacob Roggeveen die Insel erreichte. Daher der Name Hase.:-) Danach kamen die Franzosen, Nordamerikaner und später Sklavenhändler, welche die Bevölkerung deportierten und bis auf ein paar hundert Rapanuii dezimierten. Die katholischen Missionare in 1870 erniedrigten dann noch die lokale Kultur und die spätere Schafherden-Kolonisierung (zur Wollen-Gewinnung) der Franzosen sorgte für die letzte Ausbeutung der Ressourcen und den Bewohnern. 1888 wurde die Insel von Chile annexiert und 1935 über 1/3 der Fläche zum Nationalpark erklärt. Heute leben etwa 4400 Bewohner auf der Insel, die kulturell mit einem Fuss in Südamerika und einem Fuss in Polynesien stehen. Das einzige Städtchen „Hanga Roa“ zeugt mit seiner Handvoll Restauräntchen, Hostels und Souvenirshops von Moai-, Tauch-, Surf- und Paradiesinteressierten Touristen, deren 50‘000 pro Jahr die Insel besuchen. Pssst… die Rapa Nui ist ein absoluter Geheimtipp. Noch ist die Originalität nicht ganz zerstört – und das ist gut so.

Als ich am frühen Nachmittag des 19.04.12 wiedermal in einem Garten Eden auf Erden – einem zudem sehr mystischen – lande, wird als erstes mein Gepäck inspiziert. Von einem Drogenhund, der mit den Koffern, Paketen und Rucksäcken die Runden auf dem Gepäckband dreht. Ein ulkiges Bild. Es scheint ihn nicht zu stören, dass mein Rucksack nach einem Gemisch von Hühnerkacke und faulen Eiern stinkt. Mich schon! Irgendetwas total Ekliges muss im Gepäckraum des Flugzeugs ausgelaufen sein. Für diejenigen, die meinen Blog verfolgen ist das ja nichts Neues (obwohl lange nichts mehr passiert ist. Knock on wood!). Lonely Planet empfiehlt mir „Residencial Ana Rapu“, wobei ich zugunsten einer gründlichen Rucksackwäsche (mein treuer Begleiter ist übrigens ein Geburtstagsgeschenk zu meinem 30igsten, Danke nochmals!) einen Blitzentscheid treffe. 21‘000 Peso (ca. 40 CHF) sind zwar viel zu teuer, dafür ist ein mickriges Frühstück und das entspannende Geräusch der Wellen inklusive. Die Sonne scheint, das Klima lässt mal wieder kurze Hosen, T-Shirt und Flipflops zu – ein Ort zum Ferien machen! Dank der Zeitverschiebung von 2h gegenüber dem Festland bleibt mir trotz 4h Flug der ganze Nachmittag, um eine neue, günstigere Unterkunft zu suchen, Tauchshops- und Travelagencies abzuchecken und leckere Nudeln in einer Strandbar zu schlemmen. Um vollends in den verchillten Inselgroove zu kommen, sitze ich in Stille bei der nahegelegenen Moai-Gruppe „Ahu Tahai“ und sehe zu, wie die Sonne langsam im Meer versinkt und den Himmel in alle möglichen Farben tunkt.
Drogeninspektion am Flughafen
Shooting für Werbeplakat-Baer war dabei 






Magischer Sonnenuntergang…
…bei Ahu Tahai
Im Hostel „Miru“ bei der herzlichen Sandra, die man ohne Weiteres als Mutterersatz bezeichnen könnte, checke ich am 20.04.12 ein und habe ein Sauglück, dass die Dorms ausgebucht sind und ich ein luxuriöses Zweierzimmer (inkl. eigenem Bad!) zum Dorm-Schnäppchenpreis von 10‘000 Peso (ca. 20 CHF) bekomme. Das beabsichtigte Tauchen an diesem Tag fällt ins Wasser, da zu starker Wellengang herrscht. Mein Plan B ist schnell evaluiert: Drahtesel mieten und die Insel erkunden. Das etwas bewölkte Wetter ist perfekt, denn auf der grünen Grasinsel gibt’s fast keine schattenspendenden Bäume. Meine Tour um die nördliche Inselroute führt mich zuerst zu „Puna Pau“ (kleiner Vulkankrater, wo die Haarknoten/Hüte der Moai aus Stein – so schwer, wie zwei Elefanten – gehauen wurden), dann – gottseidank, es geht bergab – zu „Ahu Akivi“ (sieben enigmatische Moai blicken auf die weite See heraus und bei Tag- und Nachtgleiche stehen sie direkt im Mittelpunkt des Sonnenuntergangs). Das Schöne – nebst den eindrücklichen Steinköpfen und der sagenhaften Natur – ist, dass weit und breit beinahe kein Tourist in Sichtweite ist. Weitere Sehenswürdigkeiten auf meinem Ausflug sind „Ana Te Pahu“ (Lavahöhlen, wie ich sie schon im Craters of the Moon Nationalpark im Bundesstaat Idaho in den USA gesehen habe) und „Ana Tepeu“ (archäologische Stadtruinen und umgekippte Moai). Ich strample weiter über die holprige, mit Schlaglöchern durchzogene Naturstrasse, entlang der rauen Küste, vorbei an weiteren Lavahöhlen und Moai zurück nach „Hanga Roa“, wo ich nach einer bitternötigten Empanada und eiskalter Goggi-Erfrischung, bei den Tahai’s abermals dem fantastischen Sonnenuntergang beiwohne.
Who's Moai?
Umgekippt
Can't get enough!
Ahu Akivi & The Baer
Etwas waghalsig

Ahu Akapau & The Wave
Die Augen des Moai…

Selbstverständlich ist 20 Uhr zu spät, um mein für einen Tag gemietetes Fahrrad zurück zu bringen; obwohl der Shop bis dann offen sein sollte. Leute, hier herrscht ein anderes Zeitgefühl! Null problemo, für einen kleinen Aufpreis am nächsten Morgen, kann ich mein Drahtesel noch um einen halben Tag verlängern, um, flink in die Pedalen getreten, meine  Morgensport-Tour zu den „Ahu Vinapu“ anzutreten. Die vorbeibrausenden Touristenbusse wirbeln zwar viel Staub in die Fresse des keuchenden Baer, aber das grösste Hindernis heute scheinen die verdammten Strassenhunden zu sein! Kurz vor dem Schauplatz mit den an die Inkakultur (!!!) erinnernden mörtellosen, aber makellos aufeinandergeschichteten Moai Plattformen (und den umgekippten Moai) werde ich von zwei aggressiv bellenden Kötern regelrecht gehetzt. Mein „Gschhhhht“ befreit mich nicht davon stärker in die Pedale zu treten – und dann geht’s erst noch Bergauf! Schweissüberströmt komme ich an der an einer Brandung gelegenen Stätte an, die blutrünstigen Bastarde zum Glück abgehängt. Ich überlege mir schon, wie ich auf dem Rückweg die fiesen Wegbelager austricksen könnte (mein einziger Joker sind meine stählernen Waden und die Kekse im Rucksack). Von weitem höre ich sie bereits kläffen, da finde ich gottseidank eine Alternativroute zurück ins Dörfchen. Diese führt mich noch an „Ana Kai Tangata“ (Lavahöhle mit Höhlenzeichnungen) und gigantischen, killerwellenbrechenden Klippen vorbei. Den Rest des Tages nehm‘ ich es gelassen. Gemütlich und an nichts Böses denkend, spaziere ich zu meinen Tahai-Moai für das abendliche Sonnenuntergangsprogramm. Als gebranntes Kind ignoriere ich die unterwegs lauernden (zumeist friedlichen) Strassenhunde selbstbewusst. Zumeist! Nichts ahnend schlendere ich der Küste entgegen, da höre ich hinter mir, wie sich ein Köter anschleicht. Ich drehe mich nicht um und wiege mich in einer offensichtlich falschen Sicherheit. Denn plötzlich schnappt seine scharfe Schnauze nach meinen Flipflops, nur wenige Zentimeter von meiner Ferse entfernt. Knurren und Bellen folgt. „Gschhhhht“ zische ich in aggressivem Ton und gottseidank pfeift von weiter hinten eine einheimische Polynesin, die auf dem Fahrrad entlang kommt und den Drecksköter von seinem Vorkommen abhält, mich zu zerfleischen. Die Kulisse des Sonnenuntergangs vor den Steinköpfen ist einmal mehr gigantisch und bringt mich auf andere Gedanken, obwohl ich beim Nachhauseweg bei jedem Hund zusammenzucke.
Inka-Kultur-Artige-Mauer
Passendes Schild zum Hund
Für den etwas grösseren Loop, die Nordostroute, buche ich am 22.04.12 eine Tagestour mit Guide, um von ihm die letzten Information über die geheimnisvolle Kultur der Rapanuii heraus zu kitzeln. Unsere Tour führt uns zuerst zu „Vaihu“ (acht umgekippte Moai und deren Haarknoten/Hüte liegen auf dem Boden), danach zu „Ahu Akahanga“ (ebenfalls beim Stammeskampf umgekippte Moai) und zum atemberaubenden „Ahu Tongariki“ (15 majestätische Moai thronen an der Küste). Dank einem japanischen Grossprojekt wurden diese 15 Moai, welche 1960 von einem Tsunami umgeworfen wurden, zwischen 1992 und 1995 wieder aufgestellt…dafür gibt’s nun in Hanga Roa ein Sushi-Restaurant und im Supermarkt ein Regal voller asiatischer Instant-Nudeln.:-) Beim Stopp bei „Rano Raraku“, wo die Moai aus dem Vulkangestein gehauen wurden, wandere ich in Staunen zwischen unzähligen halbgefertigten und zum Abtransport bereiten Moai. Unweigerlich überkommt mich das Gefühl der Legende, dass die Steinfiguren hinter meinem Rücken urplötzlich von Aliens auf magische Weise zum Leben erweckt werden und anfangen zu laufen. Danach geht’s noch zu „Ahu Te Pito Kura“, dem grössten (fast 10m grossen) Moai, der ebenfalls mit dem Gesicht zu Boden liegt. Ein weiteres interessantes Feature hier, ist der „Nabel der Welt“, ein Stein der magnetisch ist (die Kompassnadel spielt wirklich verrückt hier!). Ihm wird magische Kraft zugesprochen. Selbstverständlich berühre ich ihn, um mich mit super-charged-energy aufzuladen. Der letzte Halt ist beim Strand „Anakena“. Zeit zum Baden, unter dem verchillten Kokosnuss-Hain zu dösen und die Moai „Ahu Ature Huki“ und „Ahu Nau Nau“ zu bewundern.
Chillende Moai
Ahu Tongariki in its glory

Where is the Baer now?
Bei Rano Raraku einmal ohne…
…und einmal mit Baer
Schöne Aussichten am Kratersee ;-)
Supercharged-Baer
Der Palmenwald…
…und die Ahu Nau Nau

Am heutigen Abend (mein einjähriges Reise-Jubiläum übrigens) lasse ich mein tägliches Sonnenuntergangsprogramm zugunsten des Blogs für einmal aus. Bei Remembertrance und inspirierendem, chilenischem Rotwein zelebriere ich und tippe diese Zeilen und hoffe, dass sie nach dem Gusteau meiner treuen Whereisthebaer-Fangemeinde kommen.:-)

"[They] seemed to be triumphing over us, asking: 'Guess how this engineering work was done! Guess how we moved these gigantic figures down the steep walls of the volcano and carried them over the hills to any place on the island we liked!'" – Thor Heyerdahl
 In dem Sinne Cheers
Alex aka „The Baer“

PS: Nach meinem Sankt Gallischen-Slang „Affääschnörhli“ habe ich mir zu Abwechslung wieder mal ein mexikanerhaftes Gigolo-Schnäutzchen rasiert. Freiheit!;-)

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