Samstag, 14. April 2012

Chile – Fast alles läuft, wie am Schnürchen


[Los Antiguos – Chile Chico – Coyhaique – La Junta – Chaitén – Puerto Montt]

Los Antiguos liegt an der windigen Küste des Lago Buenos Aires, nach dem Titicacasee der zweitgrösste See in Südamerika, den Argentinien mit Chile teilt (dort heisst er aber Lago General Carrera – so viel zur argentinisch-chilenischen Brüderlichkeit). Ausser Knotenpunkt zwischen Chile und der argentinischen Ruta National 40 (die im Nordwesten in Abra Pampa startet und sich bis Rio Gallegos im Südosten Argentiniens erstreckt), hat Los Antiguos nicht viel zu bieten. Daher beschliesse ich mit April aus den USA und Will aus Hong Kong, die ebenfalls mit mir aus dem Bus aussteigen, einen Taxi zur nahegelegenen Grenze zu Chile zu nehmen, um dann zu schauen, wie wir weiterkommen. Irgendwie wird’s schon klappen, sagen wir uns, denn der chilenische Grenzposten ist etwa 9km vom argentinischen entfernt.
Übernächtigter Abschied von Elena+David
Altes Schild auf der Ruta 40
Nachdem wir uns in Argentinien am 06.04.12 um 18.15 Uhr ausgestempelt haben, machen wir uns zu Fuss, bepackt mit unseren Rucksackmonstern auf den Weg für den Chilenischen Stempel. Bei jedem Auto strecken wir zuversichtlich den Daumen aus, um einen Transport aus dem kargen Niemandsland zum Grenzposten zu erhalten. Enttäuschung pur! Wider unseren Plan brausen alle Autos an uns vorbei und unsere Hoffnung schwindet zusehends. Nach 1.5h sind wir zwar pissed-off, haben aber – à la „das Glas ist Halbvoll“ – mehr als die Hälfte der Strecke hinter uns. Die Nacht kehrt bereits ein und ein wundervoller, oranger Vollmond erhebt sich hinter den Bergen, während ein ekliger Nieselregen einsetzt. Meine Stimmung ist mittlerweile nahe am Nullpunkt angelangt: kein Auto hält, es ist nasskalt und windig und die Rucksäcke drücken uns zu Boden. Gerade, als ich die Situation verfluchen will, hält ein Pickuptruck an, und wir können auf die Ladefläche aufspringen. Beim Grenzposten angekommen, zeigt die Uhr 19.45; um 20 Uhr schliesst der Zoll. Wir hätten es niemals geschafft, hätte der nette Fahrer nicht Mitleid mit uns gehabt. Dieser wartet übrigens auf uns und chauffiert uns noch bis ins etwa 6km entfernte Chile Chico. ¡Muchas Garcias, Amigo!
Enttäuschtes+müdes Willkommen in Chile..
..glückliche Backpacker auf dem Pickuptruck

Wir finden ein günstiges Hostel (6000 Peso Chileno; das sind etwa 11 CHF) inkl. Frühstück oder Küchenbenutzung für die Zubereitung eigener Köstlichkeiten. Nach meiner Logik würde zwar das eine das andere nicht ausschliessen...anyway… so entscheiden wir uns für Option Nr. 2, denn sämtliche Restaurants haben aufgrund des Karfreitags bereits geschlossen. Bevor wir ins Bett plumpsen kaufen wir im nahegelegenen Supermarkt ein und zaubern Nüdeli mit Tomatensauce. Mmmmh herrlich! Begleitet vom Geräusch des Windes versinken wir in einen Dornröschenschlaf. Tags darauf, am 07.04.12 ist  es Sonnig und unverändert windig. Auf der Suche nach einen unverschlüsselten WiFi-Netz erkunden wir, wie eine Spezialeinheit von Nuklear-Krisenmanagern nach Radioaktivität suchend, mit unseren Handys in der Hand die verschlafene 4000-Nasen Ortschaft. Ohne Erfolg, jedoch sind wir äusserst erfreut, dass die Autos hier anhalten, um Fussgänger über die Strasse zu lassen. Sowas in Südamerika!? Unser Masterplan, das 52km entfernte „Reserva National Jeinemeni“ (mit den Highlights Höhlenzeichnungen und Flamingos) zu besichtigen und beim etwa 5h entfernten „Puerto Rio Tranquillo“ die Marmorhöhlen zu bestaunen, müssen wir schnell begraben. Wegen den Osterferien haben die Tourenanbieter geschlossen und für Autovermietung ist das Kaff zu klein. Unser einziges Sightseeing ist daher der nahegelegene Hügel, wo 210 Treppen zur zutreffend benannten „Plataform del Viento“ führen; ansonsten verschlafen wir den ganzen Tag. April macht sich am Morgen des 08.04.12 wieder auf den Weg zurück nach Los Antiguos, um von dort einen Bus nach Bariloche zu nehmen und Will und ich versuchen ein Ticket für die Fähre nach Puerto Ibáñez zu ergattern. Bad luck, sie ist für heute ausgebucht, daher verlängern wir um eine Nacht im langweiligen Dorf. Wir sind nicht die einzigen, die hier steckenbleiben. In unserem Hostel, das die letzten beiden Nächte fast leer war, sind nun 6 andere Backpacker, die ebenfalls heute kein Ticket mehr erhalten haben und uns alle dieselbe Frage stellen: Wo zum Geier gibt’s denn Internet hier? Tja, liebe Backpacker… Chile Chico ist diesbezüglich halt noch ein paar Jährchen im Rückstand. Unser Bonus fürs hierbleiben ist ein wundervoller Sonnenuntergang, den wir auf der „Plataform del Viento“ geniessen und ein prächtiger Sonnenaufgang, den wir am nächsten Tag von der Fähre aus sehen.
Mit Will auf der Plataform del Viento..
..beim kitschigen Sonnenuntergang
Abendsbonus…und Morgenbonus…
Wenn der Alpenfirn sich rötet?
Um Mittag am 09.04.12 kommen wir in Coyhaique an und machen uns zusammen mit zwei anderen Backpackern auf die Suche nach einem Hostel, von denen es hier genügend gibt. Sollte kein Problem sein…eigentlich. Das erste ist zwar herzlich, doch in der Küche und im Wohnzimmer herrsch ein solches Chaos, dass ich nicht mal nach 11 Monaten Reiseabhärtung dort einchecken würde. Bei den nächsten paar Hostels treffen wir auf ein absurdes Phänomen. Sämtliche Besitzer sind stinkeunfreundlich zu uns. Beim einen (sehr schönen, modernen Hostel) wollen wir schon fast einchecken, da sagt uns der übellaunige Typ von der Reception, in höchst unfreundlichem Ton, wir dürfen das WiFi erst benutzen, wenn wir eingecheckt haben (obwohl wir vorher von der anderen Receptionistin das OK bekommen haben es zu benutzen, während das Zimmer gereinigt wird). Der Fall war klar: Next… Beim nächsten kommt eine saure, alte Frau aus dem Haus und sagt uns sie hätte Platz. Als wir nach einer Küche zur Benutzung fragen, will sie uns nicht mehr beherbergen (HALLO?). Im darauffolgenden Guesthouse – die Zimmer sind ok – sperrt die griesgrämige Dame uns vor die Türe und wir checken weiter ab. Stunden später landen wir im „Residencial Mónica“, wo Will und ich uns bei dem freundlichen, älteren Ehepärchen einnisten, während die anderen beiden Backpacker noch nach einer günstigeren Variante suchen. Abgesehen von der eigenartigen Hostelsuche, ist Coyhaique aber eine freundliche 45‘000 Einwohner-Stadt in der XI-ten Region von Chile, umgeben von Bergketten die bereits mit einem Flaum von Schnee bedeckt sind. Unser Ziel am 10.04.12 ist der „Cerro Cinchao“ im etwa 1.5h entfernten „Reserva National Coyhaique“. Bei perfektem Wetter machen Will und ich uns auf den Weg und wandern durch wunderschöne Herbstwälder 3h bergauf zur Bergspitze und werden von einer atemberaubenden Aussicht auf Coyhaique und die umliegenden Berge belohnt. Der Wandervogel aus Hong Kong geht ab, wie ne Tüte Mücken. Er rennt regelrecht den Berg hoch und runter, so dass ich ihn ein paarmal ermahnen muss, auch die Natur etwas vor Ort zu geniessen (und nicht nur in retrospektive auf den Fotos).;-) Dafür schaffen wir die 14km in 6h (normalerweise dauert die Wanderung 7-8h) und können beim Parkeingang bequem den letzten Bus zurück in die Stadt nehmen. Das ging ja wieder mal, wie s’Brezel backen.
Lamas in Wintermode
Baer on the top!

Herbstzauber in Coyhaique
Alles läuft wie am Schnürchen. Am folgenden Tag, am 11.04.12, wollen wir den Bus nach La Junta nehmen, dort 1 Tag bleiben, und dann weiter nach Chaitén. Die Busverbindungen dorthin sind sehr unregelmässig, aber wir schaffen es, die ganze Reise nach unserem Gusteau zu  organisieren. Am Abend des 11.04.12 kommen wir nach einer 7h, vorwiegend holprigen Fahrt auf einer kurvigen Schotterstrasse, durch urwaldartige grüne Wälder mit Pflanzen, deren Blattdurchmesser locker 1m betragen, in La Junta an. Das verschlafene Dörfchen mit altertümlichen Dorfversammlungen und freundlichen Strassenhunden ist zumeist nur ein Pit-Stop für Reisende, wir sind jedoch hier um die unberührte patagonische Natur im „Reserva Nacional Lago Rosselot“ zu erkunden. Schön wärs gewesen, wenn es am 12.04.12 nicht den ganzen Tag in Strömen geregnet und uns die Wanderlaune komplett verdorben hätte. Zum Glück logieren wir im gemütlichen „Hospedaje Tía Lety“, wo wir von Grandma bemuttert werden und den ganzen Tag im getäferten Zimmerchen chillen, das grad mal so gross ist, dass ein Bett quer und eins längs Platz hat. Bereits um 6 Uhr am 13.04.12 fährt unser Bus, der Will und mich nach Chaitén bringt. Wir hoffen, dort die Fähre um 10 Uhr zu nach Puerto Montt zu erwischen. Der kleine Sprinter Bus ist masslos überfüllt und wir sind froh, dass wir unser Ticket im Vornherein gelöst und somit einen Sitzplatz auf Sicher haben. Wie abgesprochen kommen wir – trotz kurzer technischer Autopanne – um 09.10 Uhr in Chaitén an, wo man die Spuren des im 2008 ausgebrochenen „Volcán Chaitén“ noch deutlich sieht: Hals über Kopf verlassene Häuser und grosse Aschehaufen am Strassenrand. Das Fährenticket gekauft laufen wir los, 10min Richtung Fähre, und prompt werden wir von einem heftigen Morgenschauer puddelnass gegossen.
Noch gut Lachen vor dem Regen…
…bis dunkle Wolken aufziehen
Die Überfahrt nach Puerto Montt dauert 9 Stunden und es ist bereits Dunkel, als wir an der Türe des Rocco Backpacker Hostels klingeln. 12‘500 Peso das Doppelzimmer (das sind CHF 24), dafür ist ein leckeres French-Toast Frühstück, Kuchen und die Freundlichkeit des Besitzerpärchens inbegriffen. Ebenfalls im Hostel haust Gisela aus Flagstaff, Arizona (USA). Als wir uns unterhalten und ich ihr von meinem USA Trip, speziell vom 20.08.11, wo ich in Flagstaff steil gegangen bin, erzähle (siehe Blogeintrag „Die Erfüllung eines Traumes…“), finden wir heraus, dass sie an der gleichen Party war. Mein Gedächtnis etwas getrübt vom Rum-Konsum an diesem Abend :-), krame ich meinen Laptop hervor und zeige ihr die Fotos von dieser Party. Sowohl die Band Lowcash, als auch bei einem Foto von mir und einem „Jeff“ sagt Gisela: „Jaja, diese Leute kenne ich alle und ich glaub sogar, ich habe an diesem Abend mit einem Schweizer gesprochen!“. Klein ist die Welt. Bevor Will und ich am 14.04.12 weiter nach Castro auf der Insel Chiloé fahren, besichtigen wir die typische Hafenstadt Puerto Montt, die überall gleichen Kunsthandwerkstände und den lebhaften Markt. Als das Wetter zusehends schlechter wird, sind wir froh, dass wir am Nachmittag mal wieder in einen Bus steigen können…
Aufschlussreiches Partyfoto…
..Baer meets Jeff@Flagstaff 20.8.11:)
Oh it is raining again
Markt in Puerto Montt
“The use of traveling is to regulate imagination by reality, and instead of thinking how things may be, to see them as they are.” – Samuel Johnson
Cheers
Alex :-)


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen