[Lima – Pisco – Huacachina – Nazca]
Kurz vor
Mitternacht am 08.02.12 scheint meine Odyssee am Ende zu sein und ich lande in
Lima. Denkste! Als wär die Berliner Mauer gefallen, USA und Kuba hätten die
Personenfreizügigkeit eingeführt und Flughafen hätte Tag der offenen Tür,
begegne ich einer noch nie dagewesenen langen Schlange zur Immigration und
ebenso nochmals beim Zoll. Beim Anstehen hoffe ich, dass ich die überflüssige
Zolldeklaration richtig ausgefüllt habe. Das Formular ist auf Spanisch – aber
mittlerweile kenne ich all die vörigen Fragen… uff, alles gut gegangen. Nach 2.5h
stop&go und robotermässig funktionierenden Beamten, ist meine letzte Hürde
der Zufallsgenerator beim Zoll: Einen Knopf den man beim Durchgehen drücken
muss: Rotes Licht = Inspektion, Grünes Licht = Schwein gehabt. Vor mir sind
zwei peruanische Yuppies mit extrem vielen Koffern…sie drücken… Rot. Yes…Schadenfreude!
Die Chancen, dass ich ohne Inspektion durchlaufen kann, sind hoch. Nach einem
kurzen Stossgebet, dass mir die Technik hold sein mag, drücke ich den Knopf…
Grün… Welcome to Peru! Beim Kollektiv-Taxi in die Stadt muss ich zwar abermals
warten, aber ihr kennt bestimmt diesen Müdigkeitslevel, wo einem alles egal
ist. Here I am… ich sitze auf meinem Stühlchen, schaue der Masse zu, die aus
dem Arrival kommt… und auch dass es das Hostel aus meinem (in Ecuador!) geschenkt
bekommenen Lonely Planet von 2007 nicht mehr gibt lässt mich kalt. Die Uhr
zeigt mittlerweile 2.30, als mich mein Driver zum zufällig gefundenen Eurobackpackers
chauffiert. Ich bin müde und will nur noch ins Bett.
Lima – nach
Kairo – die zweitgrösste Stadt, die auf Wüstengrund erstellt wurde, ist eine
Metropole mit einem sonderbaren Mix aus moderner „8.5-Millionen-Mega-City“,
gepflegten Slums von Leuten, die aus den Anden zugezogen sind und keine Arbeit
gefunden haben und kolonialem Sammelsurium im Stadtzentrum. Mein Hostel ist im
Stadtteil Miraflores, einer gehobenen, touristischen Nachbarschaft mit
Restaurants, Nightlife, Parks und wunderschönem 10km langem Malecon auf den
Klippen über dem pazifischen Ozean. Hier ist für die Tage meine Joggingstrecke
– speziell empfehlenswert bei Sonnenuntergang, wenn man zuschauen kann, wie die
orange Kugel im silbernen Meer versinkt und den Himmel in sämtliche Rottöne
verfärbt. Lima überrascht mich positiv, mit der Ausnahme, dass der
Strassenverkehr nervig laut ist. Am 09.02.12 treffe ich per Zufall einen
Deutschen Backpacker im Supermarkt, der mir das Hostel Pariwana empfiehlt, wo
ich am 10.02.12 (das Weekend steht an!) für mehr Leute und mehr Party
einchecke.
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Meersicht
beim Parque del Amor.. |
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..und
bei Sonnenuntergang |
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Vater
Camaro in Miraflores |
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Katzenpark… |
Das
Pariwana entpuppt sich als eins der besten Hostels, das ich in den letzten 9
Monaten angetroffen habe: Sauber, gute Lage, Frühstück bis 13 Uhr, 2 Kissen im
Bett, das Bett wird täglich gemacht, aufgestellte Staff, preiswert und gute
Leute… da fühlt sich der Baer fast wie zuhause in der F6 (ausser, dass mir dort
das Bett nicht gemacht wird:-)). Gegenüber vom Hostel ist der Parque Central,
der von Katzen besetzt ist. Manchmal sieht man die Tiere auf den Bäumen herum
kletter, wo sie ab und zu auch mal stecken bleiben und dann kläglich miauen. Im
Hostel lerne ich einen Ami kennen, der die nächsten zwei Tage – ganz nach
meinem Gusto – Dubstep in zwei nahegelegenen Clubs spielt. Gemeinsam mit Zoran
aus Slowenien rocke ich die Freitagabend-Party im Underground-Club. Mein
Central Lima Sightseeing-Programm spule ich am 11.02.12 ab: Plaza Mayor
(Kolonialbauten und hupende Blechlawinen), Rimac-Viertel auf der anderen Seite
des Flusses (mehrfach werde ich von netten Bewohnern gewarnt: „Hola amigo, que
es un pocito peligroso aquí!“), Monestario de San Francisco (alte Harry Potter
Bibliothek und gruselige Kattakomben mit über 70‘000 Beigesetzten, wobei die
Knochen in den 70er Jahren für die Touristen in bizarren Kreisen und anderen
Formationen angeordnet wurden), Plaza San Martin (Statue von Madre Patria, der
symbolischen Mutter von Peru – unter Kommission der Spanier erstellt und etwas
falsch verstanden, statt einem Flammenkranz „llama“, wurde fälschlicherweise
ein niedliches Lama auf ihrem Kopf platziert). Zur Feier des Tages gönne ich mir
leckere Sushi, bevor ich wieder den modernen Bus nach Miraflores nehme und mich
ready für Dubstep, Jungle und Drum n’Bass im Club Elementos mache…. What a
night!:-p
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Palacia
Arzobispal@Plaza de Armas |
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Farbenfrohes
Armenviertel |
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Fotografieren
verboten: Baer zückt im Geheimen sein Handy |
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Das
missverstandene Lama |
Tags darauf
kommt mir die autofreie Avenida José Larco vor dem Hostel sehr entgegen. Der
Lärm bleibt aus, der Baer schläft aus! Nebst dem, dass ich meine Weiterreise
plane, gehe ich mit Anja aus Deutschland zu Fuss die nahegelegenen Pyramiden
Huaca Pucllana (schön restaurierter Steinhaufen in mitten im urbanen Miraflores)
und Huaca Huallamarca (abermals fein säuberlich arrangierte Steine mit moderner
Stadt im Hintergrund) besuchen. Respektive eben nicht, da Pucllana einen
horrenden Eintrittspreis verlangt und Huallamarca bereits geschlossen hat, als
wir ankommen. So bleibt unser Highlight das Mittagessen mit mitgebrachtem Salat
im Burgerking und der gemütliche Spaziergang im sommerlichen Lima.
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Sta(d)ttliche
Ruinen |
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Zoran+Anja+The
Baer |
Der Bus,
den ich am 13.02.12 nehme ist subito in Pisco, so dass ich etwas überrascht
mitten im Film auf meinem Laptop aufschrecke, als mich mein Sitznachbar
anstupst und sagt: „Señor, we char in Pisco“. Ausser dem Namen (nämlich
gleichnamig, wie das Destillat aus Traubenmost), hat diese Stadt überhaupt nichts
Besonderes, denn sie ist laut, dreckig und verarmt. Verständlich, denn Pisco
erholt sich noch immer vom Erdbeben in 2007, dass 85% der Stadt verwüstete. So
ist es verstehbar, dass sämtliche in meinem 2007er Lonely Planet
vorgeschlagenen Hostels nur noch als verlassene, abbruchreife Lotterbuden
existieren. Da der Taxifahrer mich direkt vor’s Tambo Colorado fährt (um seine Komission zu
kassieren), checke ich dort aus Bequemlichkeit in ein Einzelzimmer ein, nachdem
ich den Preis um etwa 30% runtergehandelt habe. Die Verkehrsregeln in Pisco
sind wie folgt: Es gibt keine, ausser wenn sich ein Auto einer Kreuzung nähert,
wird gehupt. Mein Zimmer ist selbstverständlich direkt oberhalb so einer
Kreuzung, so dass ich bis spätabends und ebenfalls ab früh morgens dem
Hornkonzert beiwohne. Glücklicherweise beginnt bereits um 7 Uhr meine
Sightseeing-Tour zu den Ballestas Inseln – der eigentliche Grund, warum ich
hier bin. Per Boot fahren wir zuerst zu der riesengrossen (150m hohen und 50m
breiten), ominösen Felszeichnung Candelabro de Paracas, der den Nazca-Linien
ähnelt, aber bedeutend jünger ist. Niemand weiss wirklich von wem und wozu
diese ominöse Zeichnung erstellt wurde. Theorien reichen von ET-artigen Aliens
bis Orientierungszeichen zur Navigation für Seefahrer. Eindrücklich ist’s aber
allemal… Danach geht’s weiter zur den Ballestas-Inseln, ein wichtiges
Schutzgebiet für hiesigesiges Meergetiere. Und die sieht man in grossen
Schaaren: Guanay Guano Vögel (welche dem Ort seinen imposanten Scheissgeruch
verleihen), Blue Footed Booby (daher wird die Destination auch „Galápagos für
Arme“ genannt), Humboldt Pinguine (und deren niedliche Junge bei ihren ersten
Schwimmversuchen) und Strände voll Seelöwen (deren Röhren- und Grunzendes
Audiospektakel jedes THX-360°-Surround-Kino in den Schatten stellt). Auf dem
Rückweg sehen wir sogar Delfine!
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Lunch
mit Pisco Sour |
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Candelabro
de Paracas |
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Verchillte
Robben |
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Das
Schwarze am Hügel sind alles Vögel! |
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Pingooos |
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König
der Chiller |
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Schön
gehupt vor der Kreuzung |
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Club
Social Pisco |
Noch am
selben Tag, dem 14.02.14, nehme ich den Bus weiter nach Ica respektive
Huacachina, einer kleinen Oase mit geheimnisvoller* Lagune inmitten überwältigend
hoher Sanddünen. Hier hat sich einst die Elite von Peru getummelt; heutzutage
wird Huacachina aber von Backpackern und Partyvolk regiert. Als erstes klettere
ich in einer anstrengenden Sandwanderung auf die Düne, um den wundervollen
Ausblick zu geniessen. Auf dem Gipfel empfangen mich ein Sandsturm und die
wundervolle, weite Aussicht auf die Wüstenlandschaft. Frisch geduscht geht’s
mit Leuten aus dem Carola del Sur Hostel ab in den Ausgang, denn in Huacachina
ist der grösste Club der Region. Ich bleibe in den Fängen der Wüste bis und mit
18.02.12. Nebst der chilligen Hängematte steht selbstverständlich auch etwas
Action auf dem Programm…
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Abendliche
Huacachina-Oase |
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Sonnenuntergang
auf der Düne |
Buggytour
und Sandboarding heissts am 15.02.12. Bevor ich mich jedoch für die Tour mit
den „areneros“ (Dünen-Buggies) kombiniert mit Sandboarden anmelde, checke ich
das Internet auf Reviews und stolpere über mehrere Posts, die vom wohl
verrücktesten Buggydriver in Huacachina berichten: Ein unverheirateter, älterer
Badboy, der aus seinem alten roten Sandbuggy das letzte herausholt und mit
Höchstgeschwindigkeiten die steilsten Dünen runter stürzt – man sollte sich
besser anschnallen! Als Sonnenuntergangsfanatiker wähle ich selbstverständlich
die Sunset-Tour, die um 17 Uhr startet. Schon als der alte, rote Buggy vor dem
Hotel mit quietschenden Reifen anhält und ein älteres, unberingtes
enfant-terrible die Teilnehmer mit einem schelmischen Lächeln begrüsst, weiss
ich, welche Stunde geschlagen hat… Die Fahrt durch die Dünen ist rasant und um
einiges nervenkitzelnder, als eine Achterbahnfahrt. Der Typ holt das Letzte aus
seiner Karre heraus, als er die steilen Dünenwände herunter flitzt und abrupte
Kurven vor den gefährlichen Klippen reisst. Das Sandobarden ist ebenso cool,
als auch herausfordernd – speziell weil meine Bindung nicht wirklich hält. Als
wir vor der letzten, etwa 200m langen und extrem steilen Düne halten, denke
ich, es wäre der letzte Stopp für ein paar Sonnenuntergangsfotos. Nichts da,
runter mit dem Board, meint der verrückte Driver. Ich schliesse ich mich den
anderen an und rutsche die high-speed Düne ebenfalls sicherheitshalber
bäuchlings auf dem Brett herunter. Mit ebenso quietschenden Reifen brausen wir
– alle zum Glück unversehrt – zurück in die in der Dunkelheit versinkende Oase.
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Sandbaer-boarder |
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Der
crazy Gefährte und das Gefährt |
Seit ich
beim Go-live von Google Earth die Satellitenbilder der Nazca-Linien (800 gerade
Linien, 300 geometrische Figuren und 70 spektakuläre Tier- und Pflanzenzeichnungen)
gesehen habe, will ich dort hin. Mitunter deswegen ist Peru auf meiner
Reiseliste. Mein Ausflug zu den weltbekannten, mystischen Bildern am 16.02.12 zehrt
aber in allen Varianten an meinen Nerven. Als erstes, im Bus auf der Hinfahrt,
plärrt während der ganzen Fahrt lauthals herzzerreissende Bachata Musik aus den
Boxen der Fahrerkabine und parallel aus den on-board TV-Lautsprechern der Plot
eines herzlich-doofen Films von einem Riesenbaby (es leben meine
geräuschdämpfenden Kopfhörer). Dann muss ich durch Selbstorganisation des
Ausflugs viel Warten (es leben die organisierten Touristenreisen). Einen drauf
gibt der wackelige, Schüttelbecher-Cessna-Flug, die mir die Linien von oben
offenbart (es lebe der Bodenkontakt). Auf dem 30-minütigen Flug werde ich jedoch
von einer atemberaubenden, top-Aussicht auf die weltgrössten archäologischen
Mysterien, wie der 96m grosse Kolibri-Vogel, der 200m lange Papagei oder der
32m hohe Astronaut belohnt, die man vom Boden aus nicht zu erkennen vermag
(deshalb wurde im Nicht-wissen vor deren Entdeckung in den 1920er Jahre die
Panamerikanische Strasse zielgerade durch die Figuren gezogen). Bis heute wirft
das Unesco Welterbe viele Fragen zu deren Entstehung und Zweck auf. Stellen die
Scharrbilder einen astronomischen Kalender dar – wer hat diesen jedoch
erstellt? Stammen die Figuren aus lange vergessenen Zeremonien – aber wie
konnten die präzisen Figuren, die ja nur aus der Luft sichtbar sind erstellt
werden? War auf der Nazca Hochebene eine altertümliche Sportanlage – warum gabs
dann aber so viele Figuren? Oder waren wieder mal die grünen Männchen aus dem
All am Werk – warum ist dann aber im ET Film nichts davon erwähnt? Fragen über
Fragen, die ich in meinem 30-Minütigen Überflug auch nicht ganz beantworten
konnte, da ich mitunter doch auch mit Stossgebeten beschäftigt war, dass ich
wieder sicher landen werde. Nazca an und für sich ist eine wüste, staubige,
Wüstenstadt und daher bin ich froh, kann ich am Abend wieder zurück in
meine Huacachina-Oase, um meine Nerven in der Hängematte bei einem Rum+Coke wieder
etwas zu regenerieren.
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Astronaut.. |
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..Kolibri.. |
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..Spinne.. |
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..Hände
und Mittendurch die Panamericana |
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Sichtlich
erleichtert wieder am Boden |
“All
journeys have secret destinations of which the traveler is unaware.” – Martin
Buber
Cheers
Alex
* Es wird
gemunkelt, dass im Kloakensee von Huacachina ein Ungeheuer wohnt, das
sich jedes Jahr einen Touristen zum Opfer holt. Ich kann euch jedoch beruhigen,
das ich NICHT Opfer des Ammenmärchens geworden bin.
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