Sonntag, 15. Juli 2012

Zugabeee-eh Kanada!


[Calgary – Banff – Lake Minnewanka]

Nach etwas mehr als einem Monat zurück in der Heimat, ist es Zeit für eine kleine Zugabe. Noch mitten im Reisefieber irgendwo in Chile via Skype und Email geplant, ist am 29.06.12 der Tag gekommen, wo ich zusammen mit Gebruder Jay als gänzliche Edelbackpacker (mit Rollkoffer und diversem unnötigem Mist im Gepäck, wie Solarlichter und Lasershow für das richtige Camperfeeling, oder Haarföhn) erneut in ein Flugzeug steige, mit dem Ziel: Kanada, Eh! Es steht schon von Anfang an fest; dies werden zwei spitzbübische, amüsante und schweineteure Abenteuerwochen. Auf dem Plan stehen RV-Campingtour von Calgary zu den nördlich gelegenen Nationalparks, runter bis zum Glacier Nationalpark in die USA, zurück nach Calgary ans 100-jährige Stampede Cowboyfestival und dann noch drei Tage nach Vancouver. Schon beim Buchen unseres Edelweiss Air Fluges geht der Spass los. Der Flieger geht bis Vancouver mit Stoppover in Calgary und Jay meint: „Dann steigen wir einfach in Calgary aus!“. „Meinst du wirklich, das geht so unkompliziert, wie beim Busfahren?“, sage ich. „Irgendwie geht’s bestimmt, und sonst haben wir noch Plan B, dass wir uns im Flugzeug einfach so daneben benehmen, dass sie uns in Calgary rausschmeissen…“, lacht Jay durch das Skype und prompt endet unsere Buchung in einem chaotischen hin-, her- und umgebuche. Plan A geht aber doch noch auf und der Business-Flug ist sogar noch günstiger, als (der ohnehin schon teure) Economy-Platz, was dem Edelbackpacking mit Gourmetmenus, Champagner- und Weingelage, bequemem Sitz und rosenduftendem Facial-Mist Spray noch einen drauf gibt. Nicht zu vergessen sind unsere Koffer, die bereits schon beim Hinflug offensichtlich auf Übergewicht hindeuten (Jay ist 1kg unter dem Maximum, Crest 2.1kg].

In Calgary (dank Zeitverschiebung ist es erst Freitagvormittag) fahren wir mit unseren prollig-prallen Rollkoffern im sauberen, zentral gelegenen „HI Calgary City Centre Hostel“ ein, sind geblendet von der Sonne und werden beim Hotdog kaufen bereits zum ersten Mal fast übers Ohr gehauen. Trotz Jetlag merke ich aber den Schwindel und korrigiere den genannten Preis korrekt nach unten. Um uns wach zu halten, steuert Jay schon zu den ersten Krimskrams-Touristen-Souvenirläden, was wir während diesen Ferien noch zu Genüge (fast wie eine neue Trendsportart) betreiben werden. Am Abend treffen wir Gerda, meine Cousine die in Calgary lebt, zum Dinner und anschliessendem Walmart-Shopping, wo wir uns für die ersten Campingtage mit Food und Krimskrams-Gadgets eindecken. Völlig müde vom 24h+ langen und erlebnisreichen Tag, fallen wir ins Bett und stören uns nicht mal gross daran, dass es vor (Baustellenlärm bis 23 Uhr) und im Zimmer (laute Gäste die ganze Nacht durch) nervig Laut ist. Der Jetlag ist stärker…

Rollkoffer Edelbackpacking
Cousinentreffen vor Lieblingsmall

Calgary, die drittgrösste und am schnellsten wachsende Stadt Kanadas (1.1 Mio Einwohner) ist eine moderne redneck-Präriestadt mit seriösen Businessallüren, Grossstadtcowboys in Pickup-Trucks und Sauberem Stadt- und Nachtleben mit Sprungbrett in umliegende Nationalparks. Die lokale Strassenbahn ist im Stadtzentrum gratis. Wir müssen am 30.06.12 jedoch ins ticketpflichtige Aussenquartier, um unser Recreation Vehicle (kurz RV) abzuholen. Da die Strassenbahn gerade kommt, begeben wir uns als Schwarzfahrer in die Grauzone und legen uns bereits Aussagen für die nichtwissende Touristenmasche zurecht, falls wir erwischt würden. Unterwegs merken wir, dass wir unsere Einkaufstüten im Kühlschrank im Hostel vergessen haben. Darum nehmen wir bei der nächsten Station die Bahn zurück und lösen aus unerklärlichen Gründen ein Ticket (deswegen verpassen wir sogar eine Bahn). Just, als wir zurück aufs Perron kommen, laufen wir zwei Bahnpolizisten in die Arme, die uns prompt nach dem gottseidank gelösten Ticket fragen. Schwein gehabt, diesen Kontrolleuren hätten wir überall begegnen können. Als sie uns fragen „Where do you come from“, sind wir im ersten Moment beide etwas überfordert, denn wir denken, sie fragen uns wie wir zu dieser Station gekommen sind und durchschauen, dass wir das Ticket erst gelöst haben. Daher geben wir anfänglich etwas verstörte Antworten und retten die Situation mit einem gekonnten Themawechsel. Schlussendlich sind sie aber so freundlich und hilfsbereit (voilà, hier ist man eben noch „Freund und Helfer“), dass sie für uns sogar noch per Funk mit der Zentrale abchecken, welchen Bus wir nehmen müssen. Nicht alle kommen so glimpflich davon, wie wir. Auf dem Rückweg sehen wir, wie sie einen Schwarzfahrer stellen. Bei unserem RV-Vermieter CanaDream werden wir von der putzigen Heidi freundlich empfangen und eingeführt, ins Camperleben. Gekonnt schwätzt sie uns noch diverse Zusatzversicherungen (Glasbruch der Frontscheibe, Schlüssel im Camper einschliessen und – ganz geil – die All inclusive Reinigung bei Abgabe) auf, bevor wir Richtung Banff losbrausen.
Wortwörtlich: Schwarzfahrer
6 Platz-Penthouse auf Räder für 2 :-)
Der erste Schock trifft uns, als wir unseren Penthouse-Cruiser volltanken. Das Benzin hier ist zwar entschieden günstiger, als in der Schweiz. Nichtsdestotrotz, als die Zapfsäule $ 200 anzeigt, schauen wir besorgt unter’s Auto, ob der Tank vielleicht ein Loch hat. Tja, wirklich ökonomisch ist unser mobiles Hotel ja nicht, mit einem Verbrauch von ca. 30lt/100km. Uns stehen noch 3000km bevor – das werden teure Ferien! Noch bevor wir im 130km entfernten Banff ankommen, kommt der zweite Schauder. Schon von Anfang riechen wir immer wieder einen merkwürdiger Geruch in der Führerkabine. Vielleicht ein verstecktes, angefaultes Fischstäbchen vom Vormieter werweissen wir. Plötzlich finden wir jedoch heraus, dass dies austretendes Gas vom undichten Ventil ist. Dies wäre zusammen mit den Benzindämpfen beim Tanken irgend wann zum hochexplosiven Gemisch geworden (einmal nämlich hat ein Tankstellenbesitzer seelenruhig ca. 2m neben uns geraucht, während wir vollgetankt haben). Den Defekt behoben, kommt bereits das dritte Problem: In Banff sind alle Campingplätze wegen dem verlängerten Nationaltag-Wochenende in Kanada restlos ausgebucht. Als unerfahrene RV-Camper trauen wir uns noch nicht, einfach am Strassenrand zu schlafen. Schlussendlich können wir unser Mobil aber bei einem Campground an die Strasse stellen. Der letzte Schock für diesen Tag kommt an der Kasse beim Einkaufen: Obwohl wir kleinlichst Preise verglichen, nur wenig unnötige Dinge (der Elias-Bärenhonig musste einfach sein) und so günstig, wie möglich eingekauft haben, zeigt das Total $ 196. Naja  egal, das werden eh teure ferien.:-) Während Jay im Camper noch Pasta kocht, bin ich in meinem Suitenzimmer schon im Jetlag-Tiefschlaf.

Obwohl uns die Touristeninformation in Banff schlechtes Wetter prognostiziert hat, können wir am 01.07.12 das Frühstück in der Sonne geniessen und beim anschliessenden Verdauungsspaziergang sehen wir eine Herde elchartiger Hirschkühe beim Weiden im Tann. Der Banff-er Nationalpark liegt inmitten einer saftig grünen Landschaft mit schneebedeckten Bergspitzen, wilden Gletscherbächen und bilderbuchartigen Aussichten. Eine Gegend, um den inneren Frieden zu kultivieren. Die Idylle wird mir aber jäh zerstört, als ich 1-877-RESERVE auf dem Buschtelefon im Campground wähle, um beim Kanadischen Campingplatz-Reservations-Service meine Wünsche für übermorgen in Lake Louise zu äussern. Als hätte ich 1-877-RETARDED gewählt, stellt sich das Telefonat als oberkompliziert heraus und ich vergeude mindestens 15 Minuten damit, dass mir irgendwelche Terms & Conditions herunter gelallt werden. Der Scenic Drive zum Lake Minnewanka enthüllt uns nebst wunderschöner Landschaft viele indische Touristen, bietet am Two Jack Lake die ideale Kulisse für einen Nacho-Schmaus (unsere Küche haben wir ja immer dabei…) und ein entspanntes „Pfüsi“ danach (…das Bett ebenso!). Wir sind uns einig: RV-Campingferien bieten höchste Lebensqualität!

Good morning guys..
How do you like our sunshine?
Tea n’Chill
Scenic drive
Schnappschuss..

..beim Einkaufen +..

@Two Jack Lake
Zu den fünf einmaligen Festen in Kanada gehört der Canada Day, der am 1. Juli (sinngemäss des 1. Augustes zuhause) zur Gründung von Kanada gefeiert wird – halt einfach noch etwas amerikanisch-inszenierter. So findet auch im gemütlichen, atmosphärischen Rocky-Mountain Städtchen Banff-Town eine grosse Parade mit unzähligen Kanadafähnchen, fröhlichen Leuten, BBQs, Feuerwerk und what have you statt. Zur richtigen Zeit für den Canada Day sind wir im Lande, aber nicht Rechtzeitig zurück im Städtchen für die verheissungsvoll klingende „Steve Harmer’s Motivational Magic Show“ und „Banff’s Stupid Pet Tricks“, die im Nachmittagsprogramm stehen. Endlich einen Parkplatz für unser 9m langes Mobile Home gefunden (nein Jay, die Äste haben das Dach nicht zerkratzt), stellen wir fest, dass unser Abwassersystem tropft und eine blaue Spur (von den ja nicht mit nassen Händen anzufassenden Regenerationssteinen für’s Klo) hinter uns zurück lässt. Ein Blick ins Handbuch verrät, dass wir zurück auf den Campingplatz zum Ablassen aka „dumpen“ müssen. Wir finden heraus, dass unsere Heidi – wie beim Gashahn – wohl nicht richtig zugemacht hat. Wahrscheinlich wollte sie, so interpretieren wir, dass wir sie zum troubleshooten unterwegs des Öfteren anrufen. Wieder zurück in der Stadt finden wir zwei Glückspilze einen nahen Parkplatz und sind rechtzeitig zur recht patriotischen, rot-weiss gefärbten Parade mit vielen Fahnenschwingern und Kanadaguggen am Start.
Happy..

..Canada..

..Day!
Schaumparty-Wagen
Heute sind alle Kanada

Erst das „dumpen“..
..dann das Vergnügen*
Unsere anschliessende Chrömlitour führt uns durch unzählige (mindestens 15) Souvenirshops und Jay sagt jedes Mal: „Das war jetzt das letzte, was ich mir gekauft habe“. 9 T Shirts, 2 Pulli, 2 Totempfähle als Deko fürs Auto, 2 Cowboyhüte, 2 indianische Traumfänger, Aufnähflagge, Bärengadgets, Kühlschrankmagnet… einfacher wärs zu beschreiben, was wir nicht gekauft haben: Das lächerliche Ganzkörperpijama mit Elch am Arsch, eins der unzähligen T-Shirts mit lahmen Sprüchen drauf („Born to Golf, Forced to Work“),… Mit 1000 Taschen und Tüten zurück in unserem mobilen Palast, macht sich die erste Vorahnung von Übergewicht im Koffer bemerkbar. Wir einigen uns darauf, von nun an weniger einzukaufen, wissen aber im Vornherein, dass wir dies eh nicht einhalten. Der krönende Abschluss des Tages nach einem leckeren selbstgekochten Abendessen in unserer mobilen Küche, ist das Feuerwerk mit aaaah ooooh-Effekt und ein Gutenachttee auf unserem Campingplatz.
„Als Camper wollen wir möglichst umweltschonend unterwegs sein und kaufen daher wiederverwendbare Plastiktüten fürs Einkaufen. Natürlich haben wir diese immer vergessen mitzunehmen beim Einkaufen. Als Alex endlich mal daran gedacht hat, passiert folgende Szene im Supermarkt:
Crest packt an der Kasse die Sachen in die Ökotüte.
Jay sagt: Crest, klaust du noch ein paar Einwegplastiktüten, die wir als Mülltüten verwenden können.“ 
Cheers
Alex

* Für die, dies bemerkt haben: Auch unsere Fotos werden mal gecrashed.:-)










2 Kommentare:

  1. Hey Alex,

    ich habe gerade deinen (oder euren?) Blog entdeckt und bin begeistert! Eure Fotos sind super und die Beiträge sowieso, sehr witzig und spaßig zu lesen, ich hatte große Freude dabei und würde am liebsten meine Koffer packen, um es euch gleich zu tun! Ich will nämlich auch sehr bald mit einem Camper durch Kanada und kann es kaum erwarten! Deshalb suche ich schon lange im Netz nach coolen Blogs, Infos über Kanada, mögliche Routen, etc.! Dabei habe ich z.B. folgenden Blog gefunden: http://www.wohnmobil-mieten-kanada.de . War für mich sehr hilfreich, ich habe ein paar Dinge gefunden, die ich noch nicht wusste!
    Auch bei dir habe ich ein paar Infos gefunden, die mir sicher noch helfen werden. (ich habe mir notiert: niemals das Dumpen vergessen!)
    Also macht weiter so,
    LG, Jenny

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  2. @Jenny: Danke für dein Feedback. Hat mich sehr gefreut, dass du meinen Blog magst! Meine grosse Reise ist leider zu Ende.. ich bin wieder zrück im Alltag. Zwar auch grad wieder am Reisen - aber geschäftlich ist halt doch etwas anders.:-)
    Viel Spass auf deiner geplanten Reise.
    Cheers
    Alex

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